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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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du es nun erfahren. Verzeih mir. Egal, wo du jetzt bist.
    Ich sehe mich noch da stehen, im grellen Licht, es ist schrecklich heiß, die Scheinwerfer sind unbarmherzig, der enge, unbequeme und unvorteilhafte Hosenanzug kneift am Bauch. Hochhackige, affige Lederriemchensandaletten quälen meine Füße, die vom vielen Proben und Stehen geschwollen sind. In meinen Ohren stecken wieder irgendwelche schmerzenden baumelnden Gehänge, die Sascha und Frank mir gnadenlos durch die Ohrläppchen gebohrt haben. Alles tut weh. Ich bin müde. Ich bin nicht ich. Ich bin eine unansehnliche Raupe. Das knackige Mädel neben mir auf dem Pickerschemel ist ein Schmetterling. Es sieht bezaubernd aus: braungebrannt, sehnig, schlank, langbeinig, langhalsig und tief ausgeschnitten. Stewardess ist sie, sympathisch, intelligent, mehrsprachig, weitgereist. Viel zu schade für den dämlichen Vokuhilaoliba aus Wanne-Eickel, der mit Brusthaar enthüllendem Hemd auf der anderen Seite der Wand auf seinem Schemel lümmelt und der sich gerade zum vierten Mal verspricht.
    Kamera aus, Aufnahme stopp, bitte noch mal. Sascha von der Maske geht hin und zupft ihm noch mal seine Haarwuscheln im Nacken zurecht, der Gästebetreuer rennt auch hin und reicht ihm ein Glas »Wört-Flört«-Sekt, der Autor kniet sich zu seinen Cowboystiefeln und trichtert ihm erneut die Antwort ein, die wichtige Silvia rennt am allergeschäftigsten hin und her und richtet die Teddybären und Sofakissen und Rosen wieder so, wie sie vor zehn Sekunden waren, und fragt mich im Vorüberrennen, ob alles rrrrecht sei, ich bejahe heftig, o Silvia, renn einfach weiter und lass mich von diesen Riemchensandalen steigen. Das Publikum findet es schon nicht mehr lustig. Zuerst haben sie alle gejohlt und gelacht, als Kandidat zwei es nicht auf die Reihe gebracht hat. Aber jetzt wird’s langweilig. So, Kamera wieder an, bitte noch mal Frage drei, bitte, Jennifer, stell einfach noch mal die Frage.
    »Kandidat zwei. Ich fliege um die ganze Welt. Wohin würdest DU mit mir fliegen, wenn DU mein Pilot wärest?« Jennifer lächelt so lieb. Und wartet so geduldig. Die Frage hat sie immerhin schon fünfmal gestellt. Und immer richtig betont.
    Hinter der Wand räuspert es sich. Ich kann ja nichts sehen, genauso wenig wie Jennifer, aber ich weiß, dass es der dämliche Vokuhilaoliba, der Speditionsfahrer aus Wanne-Eickel, ist. Der mit dem Brusthaar, das aus dem offenen Hemd quillt.
    »Also staaten wüad ich auf’m Küchentisch, und wenn der Motor nich anspringt, hole ich meinen Propella raus, und dann musst du gucken, wie du den in die Luft leckst, ääh, lockst.«
    JAA! Tosender Applaus!! Er hat’s fehlerlos zusammengebracht! Ich seh ihn vor mir. In Siegerpose schmeißt er die Arme hoch. Die Goldkettchen auf seiner Brust klirren leise. O Jennifer. Bitte nimm ihn nicht. Auch wenn das Volk jubelt. Du hast ja keine Ahnung, wie der aussieht!
    Auch Kandidat drei, der frängische Abbaitslose mit dem Hang zum Gärschtensaft, verspricht sich immer wieder, dreimal, viermal, fünfmal, er kann seine zwei Sätze nicht fehlerlos aufsagen. Kamera aus, Gagschreiber hin, Maske hin, tupf, wisch, flüster, beschwör, einimpf, nick. Kamera wieder an.
    »Kandidat drei. Und welch ein Höhenflug schwebt dir so vor?«
    »Ja also, ähm … zuärscht versuche ich einen Senkrechtstatt auf der Madratze, dann stemm ich dich auf main Schaltknübbel …«
    Verdammt. Silvia war im Bild! Was rennt die denn immer so wichtig da hinten rum? Hat wieder Sofakissen aufgeschüttelt. MEIN GOTT, SILVIA!!! Kein Schwein guckt doch bei so einer genialen Antwort auf ein Sofakissen im Hintergrund! Kamera aus! Oda-Gesine steht in der Gasse und mampft nervös ihre Nougatriegel. Herr Bönninghausen schüttelt mit dem Kopf. Die Leute von der Tiefkühltruhe sind auch da. Kein bisschen begeistert. Der Vertrag mit dem Lutschlümmel wird noch platzen! Ach, was solls. Ich kann’s nicht ändern. Ich steh nur hier rum. Das dauert! Wieder aus und wieder an und noch mal die Frage, und da gehn mer hin und machen’s einfach noch mal.
    Die hübsche Pickerin, die gebildete und goldige Stewardess Jennifer, wirft mir einen hilfesuchenden Blick zu. Ich kippe fast von den Riemchensandalen. Schmerz lass nach. Wir stehen seit einer Stunde neununddreißig Minuten hier, das heißt, ich stehe, die Anderen sitzen. Es ist die zweite Sendung. Das heißt, ich stehe seit drei Stunden. Die Proben nicht mitgerechnet. Das Publikum wird immer unruhiger. Oda-Gesine schimpft mit Kim.

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