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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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mich bewerteten, war erniedrigend.
    Auf der folgenden Seite ging es eindeutig um unseren Sponsor. Wahrscheinlich war es die wichtigste Seite.
    Wie viele »Wört-Flört-Törts« haben Sie während der letzten »Wört-Flört«-Sendung gegessen? Würden Sie Frau Stein ein »Wört-Flört-Tört« abkaufen? Finden Sie, dass Frau Stein eine gute Repräsentantin von »Wört-Flört-Tört« ist? Würden Sie Frau Stein zum Kaffee einladen und mit ihr »Wört-Flört-Tört« essen? Würden Sie Frau Stein ein »Wört-Flört-Tört« mitbringen, wenn Sie von ihr eingeladen würden? Geben Sie Ihren Kindern »Wört-Flört-Tört« mit in die Schule?
    Die Leute hatten recht unterschiedlich reagiert. Im Durchschnitt hatte man die Note 3,4 errechnet. Ich schämte mich entsetzlich. Das DURFTEN die? So einfach Leute auf der Straße anquatschen und sie fragen, was sie von meiner Figur hielten? Irgendwelche hergelaufenen Kerle mit Plastiktüte und irgendwelche Frauen, die schlechtgelaunt aus ihrem Büro kamen oder von zu Hause, wo sie vielleicht gerade »Sonja am Mittag« gesehen hatten und deshalb noch voller Aggression waren, durften die anquatschen? Und diese Leute wurden auch noch hofiert und kriegten zur Belohnung eine Kiste »Wört-Flört-Törts«! Weil sie MICH beurteilt hatten! Wie in der Schule. Mit Noten von 1 bis 6.
    »Na? Beeindruckt?«
    Mir wurde schlecht. »Ich muss da erst mal drüber nachdenken«, sagte ich mit belegter Stimme.
    »Also Schätzchen, jetzt kack uns bloß nicht ab. Du bist doch wohl in der Lage, so was richtig einzuordnen!«, schnaufte Oda-Gesine, während sie meine eiskalte Hand in ihrer Pranke knetete. »Ich dachte, du bist ein Profi!«
    »Aber damit habe ich nicht gerechnet.«
    »Was meinst du, was wir uns für Mühe gegeben haben! So detailliert kriegt wohl kaum ein Mensch seinen Marktwert mitgeteilt!«
    Marktwert. Ich schluckte.
    Unten weinte Paulinchen.
    »Jetzt geh mal zu deinem Baby und zu deinem … Boy. Sei in einer halben Stunde beim Briefing«, verabschiedete mich Oda-Gesine. »Wir machen das mit den Videos allein.«
    Ich schlich mich in Emils Garderobe und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Mein ganzes Gehirn war grau. Grau wie eine zähe, trübe Wolke, die eine ganze Stadt im Smog erstickt. Da hatten sie Hunderte von Mitarbeitern in deutsche Fußgängerzonen geschickt. Um hergelaufene Passanten nach mir zu fragen, während ich glückselig beim Bundespräsidenten Speckpfannekuchen gegessen hatte. Und mit Emil auf der Spree geschippert war. Und mit den Kindern im Stadtwald Verstecken gespielt hatte. Ich hatte nicht gewusst, dass es so erniedrigend war, eine öffentliche Person zu sein.
    Emil sah mich prüfend an, als ich mit zitternden Händen mein Paulinchen nahm. »Alles O.K., Mam?«
    »Jou«, sagte ich und begann zu stillen.
    Emil tat so, als läse er seinen Krimi. Aber über den Buchrand hinweg sah er mich an.
    »Was machst du in deiner Freizeit?« Rolf war wieder voll in seinem Element.
    »Ich sitz total gern auf dem Klo.« Der Typ mit dem T-Shirt, auf dem »fuck off!« stand, grinste selbstzufrieden. Er kaute mit offenem Mund auf einem rosa Kaugummi herum.
    »Warum?«, fragte ich interessiert. Das soll es ja geben, dass Männer gern auf dem Klo sitzen. Frauen haben für so was keine Zeit.
    »Keine Bezüge, Karla. Das schneidet die Tanja eh wieder raus. Und sonst so?«
    »Motorrad fahrn. In der Eifel rum. Immer am Wochenende. Nürburgring und so.«
    »Ah ja. Soso. Schreib ›Motorrad‹, Maik. Das mit dem Klo lassen wir. Findet der Bönninghausen nicht werbewirksam. Macht Spaß?«
    »Klaro. Geil!« Der Typ kaute Kaugummi.
    »Ist die schnell, die Maschine?«, fragte Rolf.
    Maik saß abwartend mit seinem dicken Filzstift und dem riesigen Pappschild in der Ecke. Er wartete auf die nächste besonders interessante Verlautbarung.
    »Klaro. Zweihundertdreißig Sachen gibt die schon her.«
    Ich versuchte mich auf den Typ zu konzentrieren, der da in meiner Garderobe saß. Er war sicher ein bisschen zu lange im Sonnenstudio gewesen, seine Gesichtshaut war unnatürlich karottenfarben, und in seine pechschwarz gefärbten Haare hatte er reichlich Gel geschmiert. Darunter schimmerte die Kopfhaut durch.
    »O.K., dann klopfen wir dich fest bei der Honda«, sagte Rolf und nickte Maik zu. Dieser schrieb mit heiliger Andacht »FZ?« und »Honda« auf seine Papptafel.
    »Traumfrau?«, fragte ich und seufzte. Das war sicher das hundertste Mal, dass ich einen Kerl nach seiner Traumfrau fragte. Und es

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