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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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dass sie nichts sehnlicher erwartete als meinen Rausschmiss, und sogar die überaus wichtige Silvia mit ihren überflüssigen Requisiten. An der Wand standen Frank und Sascha, hinten an der Tür der böse blickende bayrische Produktionsleiter mit den Hirschhornknöpfen. Vor denen allen würde ich gleich in die Knie gezwungen werden, blamiert bis auf die Knochen, der Dummheit, Geschwätzigkeit und Lüge überführt. Auf dem wichtigsten Stuhl saß breitbeinig und in König-der-Löwen-Haltung Herr Bönninghausen im kleinkarierten Sakko und mit blauen Schlümpfen auf der Krawatte. Alle, alle würden nun Zeuge einer verdienten Enthauptung werden. Und Herr Bönninghausen würde mit dem Kopf schütteln. Er hatte es schon immer gewusst, dass ich eine glatte Fehlbesetzung war.
    Ich fühlte das Nasse unter der Zunge nicht mehr. Tanja spulte die Sendung von gestern vor. Eine aufgetakelte, alberne Moderatorin mit Nacken-Innenwelle, Samtkostüm in Blö und Riemchensandaletten schwirrte wie eine übereifrige Biene über die Bühne und machte Bücklinge nach rechts und links, sah mit albernem Augenaufschlag in die Kamera und ruderte mit den Armen. Jetzt stand sie neben dem schönen Schmetterling von gestern. Da. Jennifer. Gott, war die hübsch. Langbeinig saß sie auf ihrem Hocker und las wie eine Mickymaus so schnell und hoch ihre Fragen ab. Dazwischen immer wieder die Dämlichen von gestern, die ihre Antworten nicht kannten. Sascha und der Autor rannten im Zeitraffertempo vor und zurück, flüsterten, knieten, pinselten, tupften, standen wieder auf, hoppelten weg. Zweimal, dreimal, viermal. Jetzt schwirrte Silvia durchs Bild und schüttelte wie Frau Holle ganz besessen an den Kissen herum.
    »Stopp!«, schrie Oda-Gesine Malzahn.
    Silvia hörte auf zu schütteln. Sie stand bewegungslos im Hintergrund. Und vorne, vorne war ich. Mein Gesicht. Mein genervtes. Ganz groß.
    »Langsam weiter!«
    Im Normaltempo spielte Tanja die Szene ab.
    Jennifer und ich schauten uns an. Jennifer fragend, ich gequält. Das waren die Riemchensandalen. Oder auch die dämlichen Kandidaten.
    Mein Blick saugte sich an dem Bildschirm fest.
    Zeitlupe.
    Jennifers Augen: fragend, unsicher, ratlos.
    Und meine Augen: beschwörend. Ich drehte mich weg, hob die Schulter, so, als hätte ich was zu vertuschen, und da, da formulierten es meine Lippen, ganz deutlich, ganz klar verständlich:
    »Nmm d Ns!«
    Nicht zu verleugnen. Allerfeinste Gehörlosensprache.
    Zumal sie ja nachher die Eins genommen hat, die aufgeweckte Jennifer!
    Ich klebte auf meinem Lederstuhl. Tot. Jetzt. Bitte erschießen. Oder wenigstens ohrfeigen. Los. Herr Bönninghausen. Kopf schütteln. Schnall deine Schlumpfenkrawatte von deiner Kehle und erdrossle mich damit. Bitte. Du tätest mir einen Gefallen.
    Silvia – im Hintergrund – schüttelte die Kissen. Und da kam Sascha angerannt, wedel-wedel, er winkte mit einer Kleenexbox, ach, Gott, wie wichtig, da ging er hin und brachte eine Kleenexbox, und die Sendung musste sowieso unterbrochen werden, weil der Kandidat seine Antwort nicht wusste. Jennifer zupfte sich ein Kleenex aus dem Spender und putzte sich damit die blendend weißen, makellosen Schneidezähne. Die wichtige Silvia huschte betont unauffällig aus dem Bild. Das musste alles sowieso rausgeschnitten werden. Wenn die übereifrige Silvia nicht so blöd im Hintergrund Kissen geschüttelt hätte, wäre Oda-Gesine mir vielleicht nie drauf gekommen. Aber dann wäre die Szene womöglich gesendet worden. Und es gibt genug Zuschauer, die sich so was zu Hause in Zeitlupe vor- und zurückspulen, o ja, die gibt es! Marga Siever und Luise Weiser und so Leute, die tun so was. Die haben Zeit dafür. Und den nötigen Hass. Und was es dann für Briefe gegeben hätte! Nicht auszudenken!
    »Also was?«, fragte Oda-Gesine. »Was hast du gesagt, wenn nicht ›Nimm die Eins‹?«
    Jetzt. Ich musste jetzt was sagen. Irgendwas.
    »Nimm dir eins!«, sagte ich. »Sie hatte Lippenstift auf den Zähnen. Nimm dir ein Kleenex!«
    »Spiel noch mal!«, befahl Oda-Gesine Tanja.
    Wir schauten die Szene alle noch mal gebannt an. Ja. Die Rechnung ging auf. Ich sagte: »Nimm dir eins«, und Sascha kam mit den Kleenextüchern angerannt.
    »Ach SOOO!« Klatschend schlug sich Oda-Gesine auf die Schenkel. »Schätzchen, ich wusste, dass du Grips in der Birne hast!«
    Mein Herz lärmte so laut, dass ich sicher war, alle hier im Regieraum würden es hören. Aber alle lachten. Und Herr Bönninghausen schüttelte beim Lachen den

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