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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Kirchenchor aussehen lassen, Riemchensandalen, von denen ich kippe, und Hosenbünde, die unterhalb des Nabels schließen und in denen ich keine Luft kriege.«
    »Das ist ja katastrophal!«, schnauzte Oda-Gesine. »Jetzt scheiß ich die Bengels aber zusammen!«
    Oda-Gesine hieb mit ihrer Pranke auf die Sprechanlage: »Frank und Sascha mal raufkommen!«
    »Nein, nein, Oda-Gesine, bitte nicht falsch verstehen! Das hört sich ja jetzt an, als wollte ich petzen, dabei versuche ich doch nur, meinen eigenen Typ nicht allzu sehr zu verbiegen, doch wie sollen die zwei jungen Männer das wiss…«
    Da standen die Beiden. Wie immer in Schwarz, mager, nabelfrei und blass. Frank mit seinem roten Kopftuch, Sascha mit kahlgeschorenem Schädel. Beide rochen stark nach Rauch. Beide waren unrasiert. Voll boyliemäßick trendy.
    Ach je. Die mussten doch denken, ich hätte mich über sie beschwert. Das wollte ich doch nicht!
    »Die Karla ist unzufrieden mit euch«, maulte Oda-Gesine.
    Die beiden armen Kerle zuckten zusammen.
    »Was hängt ihr der denn immer an den Leib?!«
    »Was wir besprochen haben. Nur edelste Marken, superedle Stoffe, coole Schnitte, dezente Accessoires …«
    »Karla fühlt sich verkleidet!«, schnauzte Oda-Gesine. »Warum? Hm? Kann mir das mal einer erklären? Was? Hm? Und was ist mit dieser unsäglichen Innenwelle im Nacken? Was? Trägt man das heute so? Ich kenn mich damit ja nicht mehr aus, das interessiert mich einen feuchten Dreck, in welche Richtung man heute die Locke fönt. Ich fön meine Haare seit zwanzig Jahren nicht mehr. Ich scheiß auf so’n Kram. Aber ihr seid die Spezialisten! Ich bezahl euch horrend! Horrend! Damit ihr die Karla zeitgemäß und modern und edel und schick herrichtet! Da!« Sie klatschte einen Ausschnitt aus der »BUNTEN« auf den Tisch. »Leute von GESTERN. Karla Stein! Die Trulla der Nation!« Mir wollte das Herz brechen. Aber Oda-Gesine war noch nicht fertig. Nun klatschte sie auch noch einen Stapel Briefe auf den Schreibtisch.
    »Schaut euch das an!! Alles Negativ-Kritik! Fünfundsiebzig Prozent der Kritik richtet sich allein gegen Karlas Outfit. Und das überträgt sich auf die Person von Karla! Und wer Karla ablehnt, der lehnt auch Wört-Flört-Tört‹ ab! WAS!? Kapiert ihr das?! Das bedeutet, der Bönninghausen steigt aus! Unser Sponsor! Schnallt ihr das, ihr Holzköppe?!«
    Mein Gott, was konnte Oda-Gesine schreien! Sascha und Frank standen wie die Schulbuben an der Tür und wagten nicht, sich zu rühren. Ich zitterte auch.
    Oda-Gesine kramte mit ihren fetten Fingern mit den eingewachsenen Ringen in den Briefen herum. O Gott. Bitte jetzt nicht auch noch Schmähbriefe vorlesen. Ich wollte mich doch nur nett verabschieden! Draußen auf dem Vorplatz wartete Emil mit dem Kinderwagen. Unser Flugzeug ging in einer Stunde!
    »Hier! Charlott Bruder aus Kisslegg im Allgäu! ›Karla Stein, ‚Wört-Flört‘-Dame, wer zieht Sie eigentlich für die Sendung an? Im Moment sehen Sie immer so aus, als würden Sie Trauer tragen! Diese Beratung war aus reiner Freundlichkeit von Frau zu Frau! Ich freue mich schon auf Ihr neues Outfit, weil ich Sie als Moderatorin sehr schätze.‹ Oder hier: Frau Barbara Schlüter aus Hamburg. ›Früher bei ‚Endlich allein‘ haben Sie viel jugendlicher ausgesehen! Warum gehen Sie nicht dahin zurück? Wir haben Sie alle gern gesehen!‹«
    »Das war aber mal ein freundlicher Brief«, sagte ich erleichtert. Sie verlangte gar nicht, dass man mich auf der Müllkippe entsorgte!
    »Es spricht nicht für unsere Styling-Spezialisten, wenn man sich wünscht, dass unsere Moderatorin zurück in ihre Hausfrauensendung geht!«, schrie Oda-Gesine. »Genau das wollte ich VERMEIDEN!«
    Sascha und Frank standen wie geprügelte Hunde an der Tür.
    »Brauner Samt ist doch nicht Trauer«, wagte Frank hervorzupressen.
    »Aber anscheinend völlig daneben!«, schnauzte Oda-Gesine. »Macht brauner Samt dick? Hä? Ich weiß es nicht! Es interessiert mich auch nicht! Ich BIN dick!! Ich trage niemals braunen Samt! Ich habe das alles nicht mehr nötig! Aber IHR!
    IHR HABT DAS NÖTIG!«
    Sie holte einen Ausdruck aus dem Internet hervor: »Hier! Engelbert Leiner aus Graz! Ich zitiere! ›Warum gebt ihr dieser pflaumenbäckigen Tante nicht eine Kinderstunde! Sie ist gekleidet und hergerichtet wie eine Handarbeitslehrerin bei einer Schulaufführung!‹«
    Ich musste mir das Lachen verbeißen. Das war ja irgendwie originell. Pflaumenbäckige Tante! Das war ja ein ganz köstlicher

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