Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
sagte ich.
»Dasch schowieso«, nuschelte Frau Malzahn, während sie das graue Haar zwischen den Zähnen hervorzog. »Du wohnst natürlich im Bayrischen Hof oder wo immer du willst, fliegst Business dass, hast einen eigenen Fahrer und kriegst, was du brauchst!«
Ich hatte ein gutes Gefühl mit Frau Malzahn.
»Also, was ist?«
»Ich denk drüber nach«, versprach ich.
»Hier wird nicht gezaudert. Ich biete dir viermal soviel Kohle, wie du bisher verdient hast. Bei einem Viertel Arbeitsaufwand. Use it or loose it.«
»Ich muss mich jetzt sofort entscheiden?«
»Spätestens bis zum Nachtisch«, sagte Frau Malzahn.
Ich dachte an Paul und daran, wie oft er mir schon das Ende unserer Beziehung angedroht hatte. Ich dachte an die dumme Tuschelei, seine Orchestermädels betreffend, und an seine Bemerkung, dass ich doch für eine Jugend-Kult-Sendung viel zu alt sei.
»Ich mach’s.«
Frau Malzahn lachte fett und machte sich über meinen Fisch her.
»Ich hab mit meinen Leuten gewettet, dass ich dich kriege, Schätzchen!«
»Um wie viel?«, fragte ich vorsichtig.
»Um fünf Mark«, sagte Frau Malzahn. »Übrigens, du kannst mich Oda-Gesine nennen.«
Paul zog auf der Stelle aus.
»Das muss ich mir nicht bieten lassen«, sagte er. »Nicht bei meinem Ruf.«
»Musst du auch nicht«, hatte ich geantwortet. »Leben und leben lassen. Heiraten heißt nicht besitzen.«
Paul fand seine beruflichen Dinge wichtiger als unsere Familie. Er ging. Ich war darüber nicht betrübt. Wir hatten uns einfach auseinandergelebt.
Senta zog auf der Stelle bei uns ein. Wenn ich meine Sendung »Endlich allein« moderierte, wohnte sie sowieso immer bei uns. Da Paul für nichts in unserem Hause zuständig war, half sie mir mit dem Haushalt und den Kindern, so gut es ging. Senta liebte die Kinder, als wären es ihre Eigenen. Waren sie ja auch irgendwie. Senta ersetzte nicht nur den Vater, sondern mich gleich mit. Sie war von Geburt an die perfekte Hausfrau. Sie genoss es, die Haushaltsmanagerin und Dame des Hauses zu sein. Ich selbst lege weder Wert auf einen solchen Posten, noch habe ich hausfrauliche Fähigkeiten, ich mag weder backen noch basteln, noch bügeln, ich glaube, ich habe ein paar männliche Anteile in meinem Charakter, was ich inzwischen nicht mehr als Schande empfinde. Ich bin ein Jäger und Sammler und muss mindestens einmal in der Woche einen Flieger besteigen, sonst bin ich nicht glücklich. Paul ist eigentlich genauso. Aber er ist ein Mann, und bei Männern ist das normal. Bei Frauen nicht.
Von Paul trennte ich mich, weil er meinen Lebensstil nicht länger ertragen mochte. Er wollte, dass ich genauso wie meine Schwester Servietten falte und Familienfeste organisiere, Blumen in große Vasen ordne und um Mitternacht mit einem warmen Essen auf ihn warte.
Paul vertrat immer die Auffassung, dass nicht alles gleichzeitig funktioniert und dass ich mich zwischen Karriere und Kindern entscheiden müsse. Für ihn selbst galt das natürlich nicht, weil nur Frauen sich zwischen Beruf und Familie zu entscheiden haben. Ich habe mich entschieden, und zwar für Karriere UND Kinder und damit gegen ihn.
Ich bin einfach kein Familienmensch. Jedenfalls verstehe ich nicht das unter Familie, was Paul oder Senta darunter verstehen. Ich habe einen Horror vor Familienfesten. Nichts finde ich grauenvoller, als mit fünfzig rotgesichtigen Verwandten einen runden Geburtstag feiern zu müssen, womöglich noch in einem gutbürgerlichen Kellergewölbe, in dem ein Büfett mit Melonenschiffchen und Geflügelsalat aufgebaut wurde. Weder das Ans-Glas-Klopfen von gönnerhaften Verwandten mit den darauf folgenden hölzernen Reden (die sich schlimmstenfalls noch reimen) noch den Alleinunterhalter mit der Hammondorgel, der bei jedem Witz einen Tusch spielt, finde ich prickelnd. Auch nicht mit viel Alkohol. Runde Geburtstage und Taufen und Erstkommunionen und silberne, goldene oder sonstige Hochzeiten jagen mir einen Schauer über den Rücken. Kurz vor solchen Familienfesten kriege ich immer akute Magen-Darm-Infekte. Ich glaube, das sind schon übertrieben viele männliche Anteile, man könnte auch sagen, egoistischer Starrsinn.
Aber so bin ich. Und seit ich auf die Vierzig zugehe, lasse ich mich einfach nicht mehr verbiegen. Dachte ich.
Und dann begann die eigentliche Geschichte.
»Gnädige Frau, wenn Sie nun weiterkommen wollen?« Dolly Buster kam federnden Schrittes in den optisch ansprechenden Wartebereich geeilt und hielt mir die Tür zum
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