Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Beratungszimmer auf. Wilfried saß inzwischen an seinem gläsernen Schreibtisch. Von der lebenden Problemzone mit dem hautfarbenen Slip war nichts mehr zu sehen. Vielleicht löste sie sich gerade nebenan in Wohlgefallen auf. Ich spitzte die Ohren, ob das Aufgeblasenwerden Geräusche machen würde. Doch alles war still.
Das Erste, was mir auffiel, war der Napf mit den Schokoriegeln, der auf des Meisters Schreibtisch stand. Waren das nicht diese »Wört-Flört«-Schokoriegel? Wenn das kein Zufall war!
»Möchten Sie?« Wilfried sah mich über halbgerundete Brillengläser hinweg mit diabolischem Lächeln an.
»Nein danke.«
»Was kann ich für Sie tun, gnädige Frau?«
»Ich würde gern blitzartig wieder gertenschlank sein. Ich habe vor zwei Wochen mein viertes Kind gekriegt, soll aber eine Jugend-Kult-Sendung moderieren.« Ich zuckte ratlos die Schultern.
»Kein Problem für uns, gnädige Frau. Sie werden nach drei Stunden wieder so aussehen wie vor neun Monaten. Zeigen Sie uns ein Foto von der letzten Sendung, die Sie noch schlank moderiert haben, und wir bildhauern Sie wieder hin.«
»Soso, das geht also?«
»Dafür gibt es ja heute modernste Techniken. Unschöne Fettpolster, die sich auch nach Diät und Schwangerschaftsgymnastik hartnäckig halten, können problemlos entfernt werden. Durch die Tumeszenz-Lokalanästhesie …« Der Doktor sah mich über seine Brillengläser an. »… Wissen Sie, was das ist?«
»Tumescere ist lateinisch und bedeutet aufblähen, aufblasen, aufdehnen.«
Der Doktor war beeindruckt. Ich grinste ihn an. Ja, hätte ich ihm denn sagen sollen, dass ich seine ganzen Erklärungen für die dicke Dame im Nebenzimmer belauscht hatte?
»Kommen Sie.« Wilfried wies mir den Weg in den Nebenraum. Ich hoffte, ich würde die Dicke beim Eingeweichtwerden erwischen. Sie war aber nirgends zu sehen.
Der Doktor hatte gerade seine Malerkreide zur Hand genommen, als meine heißgeliebte Schwester Senta – wie immer todschick im Nerz und mit perfektem Make-up – mit strahlendem Lächeln zur Tür hereinkam. Seit ich mein Paulinchen hatte, war auf Senta überhaupt nicht mehr zu verzichten.
»Die Mädels schlafen. Lass sehen! Was wird der Meister machen?«
Der Doktor betrachtete meine gepflegte Schwester über die Brillengläser hinweg.
Sie flirtete sofort kokett: »Das hat mich hier schon immer mal interessiert. Können Sie wirklich überflüssige Pfunde wegschnippeln?«
»Wir schnippeln nicht, wir saugen«, sagte Wilfried.
»Guck mal in den Schrank, dann siehst du die Eimer«, sagte ich.
Wilfried hechtete zum Schrank und holte die Eimer raus. »Anderthalb Liter, anderthalb Liter, anderthalb Liter, anderthalb Liter, ein Liter, ein Liter, ein halber Liter«, keuchte er.
»Das hat Wilfried alles aus einer einzigen Patientin rrausgeholt!«, schnurrte Dolly Buster.
»Und was wollen Sie mit meiner Schwester machen?«
»Abgesehen von Ihrem Bauch-Hüften-Taillen-Oberweitenproblem sollten wir eine kombinierte Gesäß-Oberschenkel-Unterschenkel-Waden-Knie-Fettabsaugung vornehmen!« Der Doktor betrachtete mich kritisch.
»Ihre Lippen können wir durch Collagen- und Eigenfettunterspritzung oder durch Einbringen von Goretex-Implantaten verschönern. Dabei würden wir auch sofort Ihre Plisseefalten im Oberlippenbereich glätten.«
»Wilfrried, schau dir mal die Altersflecken und Krrähenfüße genauer an«, mischte sich Dolly Buster ein.
»Tja«, sagte Wilfried, »bei näherem Hinsehen entdecke ich auch im Mundwinkelbereich feinste Hautfältelungen und Pigmentflecken!«
»Mein Gott, ich bin ein Wrack«, stöhnte ich.
»Sie sind beim Fernsehen, gnädige Frau«, sagte Wilfried, indem er sich auf seinen fahrbaren Hocker sinken ließ. »Sie sind knapp vierzig. Und Sie haben vier Kinder. Da ist es Ihre Pflicht, der Natur ein wenig entgegenzuwirken.«
»Genau!«, rief Senta mit gespielter Entrüstung. »Es ist überhaupt eine Zumutung, Frauen über dreißig im Fernsehen anschauen zu müssen! Bei Männern ist das natürlich was anderes!«
»Sie haben ein Recht auf Ästhetik«, sagte Wilfried.
Mir war im Moment nicht ganz klar, ob er mich meinte oder die Zuschauer. »In Ihrem Fall rate ich zur Straffung, kombiniert mit einem kleinen Implantat. Silikon hat eine Konsistenz, die dem natürlichen Brustgewebe am ähnlichsten ist.« Er bückte sich erneut in Richtung Schrank und zauberte einen feuchten Beutel hervor. Genießerisch ließ er ihn in den Händen plätschern.
»Kommt nicht in Frage«, sagte ich.
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