Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
die männlichen Moderatoren im Fernsehen dürfen Bäuche, Glatzen, Tränensäcke und Falten haben!«
»Oda-Gesine sagt, sie will keine von diesen geklonten, unnahbaren blonden Schaufensterpuppen. Sie will eine Frau, der man ansieht, dass sie lebt.«
»Damit hat sie recht. Kluge Frau. Und DU lebst. Du stehst so was von mitten im Leben, das soll dir erst mal einer nachmachen!«
»Meinst du, das Publikum denkt genauso?«
»Das wäre ja das Letzte, jetzt klein beizugeben! Nur weil es ein paar Ewiggestrige nicht abgemischt kriegen, dass eine Frau Kinder haben und trotzdem vor der Kamera stehen kann!«
»Die Leute werden es vielleicht nicht alle akzeptieren …«
»Wenn du es jetzt nicht durchziehst, werden wieder Generationen nach dir sich nicht trauen! Lasst euch immer schön in ein Plastikkorsett pressen. Das Publikum kriegt, was es verdient!«
»Mag sein«, murmelte ich.
»Und du gehst auch zu keinem Schönheitschirurgen!«
»Aber alle Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, tun das! Lies mal die ›Bunte‹!«
»Nur die Frauen unterwerfen sich diesem Zwang! Meinst du, Herr Biolek, Herr Böhme oder Manfred Krug und all diese sympathischen, netten alten Herren aus dem Fernsehen lassen sich für 20000 Mark Fett absaugen? Oder Paul? Nichts für ungut, aber der hat auch so seine Problemzonen!«
»Senta, du hast ja so recht … Im Kopf ist mir das alles klar, aber werden die Zuschauer es hinnehmen, dass ich nicht nur eine vierfache Mutter bin, sondern auch so aussehe?«
»Dann bedien das Klischee eben weiter.« Senta erhob sich. Für sie war das Gespräch jetzt beendet.
»Und wenn sie mich zerfetzen?!«, rief ich hinter ihr her.
»Dann zerfetzen sie dich eben. Eine muss den Anfang machen! Apropos zerfetzen: Katinka ist in der Küche so verdächtig still!«
Meine rechte und meine linke Gehirnhälfte lieferten sich nächtens auf dem Kopfkissen ein erbittertes Wortgefecht:
– Du schaffst es nicht, es ist Wahnsinn, lass es sein, noch kannst du aussteigen.
– Was, spinnst du? Wieso aussteigen? Dies hier ist eine sensationelle Chance! Du bekommst sie nachgeschmissen! Alle breiten dir den roten Teppich aus! Senta übernimmt die Kinder, wenn du unterwegs bist! Wo findest du so eine Schwester?! Oda-Gesine tut alles, damit du dich wohl fühlst. Wo findest du so eine Chefin!?
– Die Kinder brauchen dich! Bleib zu Hause! Mach es nicht! Nächste Woche ist Elternabend. Karl kriegt auf dem Gymnasium neue Lehrer. Oskar hat ein Flötenvorspiel. Und Katinkalein bastelt in der frühkindlichen Fördergruppe eine Laterne! Eine gute Mutter geht mit ihren Kindern zu all diesen Veranstaltungen, jahrelang, unermüdlich, immer wieder. Sie steht am Rand und guckt zu.
– Das ist mir zu wenig, nur zuzugucken! Ich will selber etwas machen! Ich will mein eigenes Geld verdienen!
– Nein! Eine gute Mutter ist einunddreißig Tage im Monat bei ihren Kindern! Vierundzwanzig Stunden lang!
– Ich WILL aber einen Zipfel Eigenleben haben! So!!
– Egoistin! Rabenmutter! Du kommst in die Hölle!
– Nein, schrie der kleine Häwelmann. Komm ich nicht!
Los, alter Mond, leuchte! Und Häwelmann blies die Backen auf, weil er unersättlich war, der kleine Häwelmann, und blies und blies, und tatsächlich, sein Bett fuhr ein paar Zentimeter weiter.
Was? Fuhr mein Bett? War ich etwa eingeschlafen? Ich lauschte. Paulinchen. Also doch. Stillzeit.
Hastig sprang ich auf und lief barfuss über den Flur. Nur schnell, damit die anderen Drei nicht wach wurden!
Flugs holte ich das hungrige Säugetierchen zu mir ins Bett. Es dockte sofort gierig an. Ich strich ihm über die drei weichen Härchen. Paulinchen schmatzte. Zeit zum Weiterstreiten.
– Du bist eine schlechte Mutter, nörgelte die spießige Gehirnhälfte. Das arme unschuldige Säuglingswürmchen schleppst du mit in einen Fernsehsender. Zwischen Maske und Aufzeichnung wirst du es mal eben stillen, im Rennen womöglich! Das hat das kleine Menschenkind nicht verdient!
– Wieso! In vielen Ländern dieser Erde gehen die Mütter direkt nach der Geburt wieder aufs Feld. Sie schnallen sich das Baby um und arbeiten weiter. Kein Baby braucht Abgeschiedenheit. Das ist dummes Geschwätz.
– Doch! Es braucht Ruhe und Abgeschiedenheit und eine feste Bezugsperson. Wo es schon keinen Vater hat. Und Senta kannst du auch nicht vierteilen.
– Nein. Das will ich auch nicht. Senta ist die beste Schwester der Welt. Aber ich brauche noch mehr Hilfe.
– Waas? Noch mehr Hilfe? Kriegst du den Hals nicht
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