Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
»Das Essen meines Säuglings wird nicht gepanscht!«
»Sie STILLEN NOCH?«
»Ja, natürlich! Was haben Sie gedacht?«
»Und dann wollen Sie … eine Jugend-Kult-Sendung moderieren …?« Wilfried warf den schlabbernden Busenbeutel ratlos in seinen Händen hin und her. Und sprach: »Ich kann Ihnen nur dringend zu all diesen Maßnahmen raten, gnädige Frau. Und zwar so schnell wie möglich. Das Publikum lässt sich nicht betrügen. Es ist sehr, sehr kritisch. Gerade das junge Publikum. Sie sind es Ihren Zuschauern schuldig, dass Sie an sich arbeiten!«
»Das sind ja interessante Denkansätze«, sagte ich.
Senta schüttelte mich. »Du fährst jetzt nach München und stellst einiges klar! Hier wird weder gesaugt noch geschnippelt! –Wiedersehen!«
Sie zog mich aus der gläsernen Praxis und knallte die Tür hinter uns zu.
»Na, wie war’s mit Frau Malzahn?«
Senta stand mit Katinka vor dem Kühlschrank und räumte halbgeschmolzene Spinatpäckchen und sonstige Tiefkühlkost aus dem Eisfach. »Katinkalein hat den Stecker rausgezogen. Jetzt müsst ihr drei Tage lang Spinat essen.«
»Ich hab den Stecker nur repariert!«, sagte Katinka wichtig. Sie sah zum Fressen aus. Ihre zarten goldblonden Härchen, die sich kein bisschen locken wollten, lagen wie ein Helm um ihr rundes Gesicht.
»Es war unerwartet unkompliziert. Als ich sagte, dass ich Paulinchen genauso lange stillen will wie die anderen Drei, war Oda-Gesine völlig begeistert. Sie hat gesagt, das sei ein besonders netter PR-Gag. Eine Moderatorin einer Jugend-Kult-Sendung, die getrennt lebt und ihr viertes Kind stillt. Das hat was, hat sie gesagt. Solche Trumpfkarten hat der Gusti Satthaber nicht.«
»Hast du dabei ein gutes Gefühl?«, fragte Senta.
»Nein.«
»Dann lass mir das Paulinchen hier. Ich schaff das locker mit allen vieren.«
»Ich weiß, Senta.« Meine Schwester hätte auch ein ganzes Waisenhaus alleine durchgebracht. In einer weißen Seidenbluse, die niemals schmutzig wurde. Bei ihr hätte alles wie am Schnürchen geklappt. Und ich hatte schon Probleme mit einem einzigen Kind. Aber gerade weil das so war, wollte ich ihr das jüngste Geißlein nicht auch noch lassen. »Paulinchen wird gestillt.« Das war das Einzige, was Senta NICHT konnte.
Senta hatte Katinka die Ärmel hochgekrempelt. Katinkas speckige Händchen, mit denen sie morgens noch gemalt hatte, waren jetzt klebrig von Spinat.
»Ich muss hier aufräumen«, sagte Katinka mit Nachdruck. »Geht mal alle weg!«
»Machen wir!« Wir schleppten Paulinchen ins Wohnzimmer.
»Soll ich dir einen Tee aufschütten?«, fragte meine große Schwester. Sie war unglaublich fürsorglich und aufmerksam. Das hatte ihr der liebe Gott in die Gene gesteckt. Beim »Fürsorgetrieb« hatte ich dagegen nicht »hier« geschrien. Ich hatte den einfach nicht, diesen Sorge- und Hegetrieb. Dabei müssen Mütter so was doch haben!
»Au ja, bitte, das ist genau das Richtige. Aber ohne Milch und Zucker!«
»Du lässt jetzt den Quatsch mit dem Dünnerwerden!«, schnauzte Senta aus der Küche. »Du stillst dein Kind, hast du entschieden, und vorher nimmst du nicht ab, und wem das nicht passt, der kann ja gehen!«
Sie servierte mir liebevoll einen frischen Obstsalat.
Nach so einer Frau würden sich Tausende von Männern die Finger lecken. Wie oft hatte ich Paul schon vorgeschlagen, doch lieber Senta zu heiraten. Aber er war dann immer sehr böse geworden. Das gemeine Hausweibchen, das war dem großen Dirigenten nicht repräsentativ genug.
Dabei war Senta der größte Schatz der Welt. Sie kam, wenn sie gebraucht wurde, und ansonsten ging sie ihren vielseitigen Interessen nach. Sie hatte einen riesigen Freundeskreis, ging zur Volkshochschule, liebte Kunst und Antiquitäten, hatte ein Theaterabonnement und wanderte für ihr Leben gern. Aber immer wenn ich ein Kind gekriegt hatte oder sonst wie im Stress war, stand sie auf der Matte.
Senta legte den Arm um mich und streichelte Paulinchen das winzige Bäckchen.
Liebevoll betrachteten wir das kleine, zarte Gesichtchen, das sich vertrauensvoll an meinen Busen schmiegte. Sich vorzustellen, dass jemand Silikon rein tat in ihr Essen …
»Also dieses Gerede um die paar überschüssigen Kilos hört mir jetzt auf!« Sentas Ton duldete keinen Widerspruch.
»Oda-Gesine sagt, sie ist sicher, im Zeitalter der Quotenfrauen sind die Zuschauer toleranter geworden …«, sagte ich zuversichtlich.
»Toleranter!« Senta stieß entrüstet ein verächtliches »Pff!« aus. »Nur
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