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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Wohnraum bewegte sich noch immer niemand, das Wachsfigurenkabinett blieb komplett.
      »Ich will ihn sehen«, sagte sie fest.
      Der Dicke musterte sie mit dem kalten Interesse eines Käfersammlers und meinte dann: »Kommen Sie.«
      Sie machte ein paar Schritte nach vorn, und Böhmert hielt sich an ihrer Seite. Vielleicht war sie dreißig Jahre alt, vielleicht vierzig, das Nachtlicht machte ihr Gesicht hart. Auf dem Rücken trug sie einen kleinen, feuerroten, vollgepackten Rucksack. Die Männer im Wohnraum sammelten sich jetzt an den Fenstertüren und kamen hinaus; der Dicke, Böhmert und die Frau gingen hinein. Niemand sagte ein Wort, und niemand außer der Frau hob den Blick.
      Dann stand sie da, sah wie hypnotisiert auf den General hinunter und flüsterte: »Das ist ja furchtbar!«
      »Ja.« Der Dicke war betrübt.
      »Wann ist er.. . wie ist das geschehen?«
      »Gegen acht Uhr heute abend. Wann sollten Sie hier sein?«
      »Es war keine Zeit ausgemacht. Ich rief ihn an und sagte, ich käme vorbei.«
      »In welchem Verhältnis ... ich meine, was sind Sie für den General?«
      »Oh.« Sie drehte sich um und starrte zu Boden. »Wir sind Freunde. Ich bin eine Freundin von Otmar.«
      »Freundin?« fragte der Dicke interessiert. »Was heißt das, bitte?«
      »Was das heißt? Ja, was heißt das? Wir haben zusammen geschlafen. Wir mochten uns, wenn Sie wissen, was das ist.«
      »Aha.« Der Dicke war jetzt irritiert. »Und wann ... ich meine, wann haben Sie so mit ihm geschlafen?«
      Sie war nicht bei der Sache. »In München, in Washington, in Bonn, in Meckenheim, hier, suchen Sie es sich aus. Wissen Sie schon, wer es war?«
      »Nein.« Der Dicke war ungehalten, als stünde ihr diese Frage nicht zu. »Wir warten auf den Staatsanwalt. Haben Sie denn eine Ahnung, wer das getan haben könnte?«
      Sie schüttelte den Kopf, hockte sich im Türrahmen auf die Fersen und sah in die Bäume. »Er war so sanft. Ich kann gar nicht sagen, wie sanft er war. Das kann doch niemand absichtlich getan haben.«
      »Tja«, sagte der Dicke vage, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle er sich neben sie hocken. »Wann haben Sie mit ihm telefoniert?«
      »Heute morgen gegen zehn Uhr. Er war ganz außer Atem, er sagte, er hackte gerade Holz. Er fragte, ob ich nicht Lust hätte zu kommen.«
      »Aber warum kommen Sie erst so spät?«
      »Ich habe mich verspätet«, sagte sie uninteressiert und starrte an mir vorbei in den Wald.
      »Noch eine wichtige Frage«, meinte der Dicke. »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
      »Ungefähr vor sechs Monaten«, antwortete sie.
      »Seitdem auch nicht telefoniert?«
      »Nein. Das ging nicht. Ich war in Washington bei meinem Mann.«
      »Aha«, meinte der Dicke, als sei das alles völlig normal. »Ihr Mann? In Washington? Was macht der da?«
      »Deutsche Botschaft«, murmelte sie.
      »Aha. Und wo können wir Sie erreichen? Ich meine, falls wir Sie erreichen müssen?«
      »Ich habe eine Standadresse im PLAZA in Köln. Die wissen, wo ich bin. Meistens.«
      »Und wenn sie es nicht wissen?«
      »Dann werden Sie sich gedulden müssen«, entschied sie. Sie kam an den Gartentisch, setzte sich, nahm eine Packung Tabak aus den Falten ihres Rocks und drehte sich eine Zigarette. »Haben Sie mal Feuer?« fragte sie mich.
      Ich sah, daß sie den Zahn frisch verloren haben mußte, und sie war eher dreißig als vierzig Jahre alt.
      »Wer sind Sie? Auch so ein Wichtiger?«
      »Baumeister, Siggi Baumeister. Ich habe ihn gefunden.«
      »Wer sind diese ganzen Kerle?«
      »So ungefähr alle Geheimdienste der Welt. Wer hat Ihnen den Zahn ausgeschlagen?«
      Sie hob schnell den Kopf und grinste mich mager an. »Sie müssen ein Chauvi sein. Das war einer, der mich auf der Autobahn mitgenommen hat. Ich sollte die Fahrkarte nachlösen; er ist mir auf einem Rastplatz an die Wäsche gegangen. Ihm fehlen dafür jetzt bestimmt zwei, drei Zähne.«
      »Haben Sie das trainiert? Das mit den Zähnen?«
      »Nein. Ich habe einfach einen Schuh genommen. Und stellen Sie sich vor: Er war auch noch sauer!«
      »Wissen Sie etwas von den Feinden des Generals?«
      »Nein. Aber er hatte sicher eine Menge.«
      »Warum?«
      »Na ja, weil er eben er war.«
      »Aha.«
      Die Männer hatten erneut Grüppchen gebildet und wanderten wie Strafgefangene endlos um das Haus. Sie sahen die Frau abschätzend an. Es war nicht die

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