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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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reingewaschen zu sein.
      Germaine telefonierte noch immer, und ich ging ins Bad, um die nassen Sachen auszuziehen. Dann hörte ich unter Blitz und knallendem Donner den >Stormy Weather Blues<, und ich dachte mit Wut daran, daß es in dem Chaos dieses Falles wahrscheinlich nie mehr gelingen würde herauszufinden, weshalb der junge Carlo in seiner sonnenbeschienenen Idylle erschossen werden mußte.
      Mit einem »Whow!« kam Germaine herein und sagte aufgeregt: »Penelope ist langweilig. Penelope weiß nichts. Aber Whoopi weiß ziemlich viel.«
      »Wer ist Whoopi?«
      »Eine Schwarze irgendwo aus Louisiana, eine ganz gute Freundin. Eine der besten. Ihr Macker ist irgendwas bei den Rauschgiftfritzen von der DEA, du weißt schon, Drug Enforcement Administration. Die machen ziemlich viel mit der CIA. Whoopis Typ sagt, daß der General damals in Washington mit dem Gutachten einen Riesenwirbel gemacht hat. Plötzlich waren alle an ihm interessiert, besonders die Leute vom KGB, die alle bei Aeroflot und den Handelsmissionen sitzen. Die Amis wollten natürlich das Gutachten auch haben, aber sie haben es nicht gekriegt. Anfangs jedenfalls nicht. Es war dem Bundeskanzler wohl peinlich, daß ein deutscher General so friedlich sein kann. Dann hatten sie es aber plötzlich doch. Whoopi sagte, die Amis hätten es sich beim Bundeskanzler kopieren dürfen. Seitdem spuckten alle Falken in Washington dem General vor die Füße. Der hatte sein Exemplar in der Geheimschutzstelle der Deutschen Botschaft deponiert, wie du ja weißt. Und jetzt stell dir vor: Die in der Botschaft in Washington haben das Gutachten eingetütet und dem diplomatischen Kurier mitgegeben. Es ist in Bonn auch angekommen, aber anstelle des Gutachtens waren nur leere Seiten drin.« Sie sah mich strahlend an, als sei das ein prima Gag. »Und nun Seepferdchen. Sie kann uns nicht treffen. Sie fliegt nämlich morgen mittag mit einer Pan Am nach Rom, von da zur Kur nach Ischia. Sie sagt, sie hat nur noch morgen früh vor dem Abflug in Tegel zwei Stunden für uns. Gesundheit geht vor, sagt sie.«
      »Wenn wir sofort fahren, schaffen wir das noch.«
      »Ist das dein Ernst?«
      »Ja natürlich. Pack eine Zahnbürste ein, vergiß deinen Paß nicht, wir fahren jetzt.«
      »Dann muß ich aber noch ganz schnell ein paar Sachen packen.«
      Krümel wollte mit, aber ich hatte Bedenken wegen der DDR-Zöllner. Die hatten nämlich bestimmt noch nicht mitbekommen, daß sich auch bei ihnen alles immer schneller veränderte. Also türmte ich ihr in der Küche einen 3-Tage-Fraß in Plastikschalen und ermahnte sie, es sich gut einzuteilen. Wir fuhren um Mitternacht.
      Das Gewitter hatte sich verabschiedet, der Himmel war dunkel, die Luft warm. Germaine hatte Jeans und einen dünnen Pullover an, hockte mit angezogenen Beinen auf dem Sitz und erklärte: »Ich werde wahrscheinlich gleich einschlafen, denn einer muß fit sein, wenn wir Seepferdchen interviewen wollen.« Sie schlief dann bis Berlin keine Minute. Es ging schnell. Dreieck Leverkusen, Dortmund, auf die völlig leere Bahn nach Hannover, Dreieck Hannover Richtung Helmstedt. Die ganzen, unendlich langen Jahre der Teilung dieses Landes war es so, daß der Normaleuropäer auf der Reise in die DDR zwanghaft an der Autobahnraststätte Helmstedt anhielt, um noch einmal zu tanken, bevor er sich auf die Reise durch die Kälte des täglichen Sozialismus machte. Ich machte auch halt, tankte auch.
      Wir aßen eine Currywurst, tranken einen Kaffee, und wir setzten uns nicht einmal, da in diesem scheinbar ewigen Provisorium Helmstedt kein Mensch nach einem gemütlichen Platz Ausschau hielt. Wir passierten den westlichen Zoll, ohne anhalten zu müssen, und erreichten die Lichterstadt des DDR-Grenzpunktes, diese endlose Anhäufung häßlicher greller Neonleuchten, diese Versammlung von Scheinwerfertürmen, den Platz der Furcht zwischen Ost und West, der mich immer an die schattenlose Brutalität von Schlachthöfen erinnerte. »Das ist alles so überholt«, flüsterte Germaine. Komisch, daß man an solchen Orten automatisch leise spricht. Nun, damit ist es dort wenigstens inzwischen vorbei. Schön wäre es nur gewesen, wenn statt der lauten nationalen Töne der moderate Klang freundlicher Verständigung an die Stelle des Fürchtens getreten wäre.
      Wir fuhren ohne Zwischenstopp weiter in die konsumüberladene Glitzerstadt des sogenannten freien Westens. Es war sieben Uhr morgens, als wir ankamen, der Tag

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