Der General und das Mädchen
Ärmel seines Hemdes aufgerollt und die Hose vor dem mächtigen Bauch mit einem Lederriemen und Hosenträgern gesichert. Seine Füße steckten in Lederpantoffeln. Er fragte: »Ja, bitte?« mit einer Stimme, als sei es ihm vollkommen gleichgültig, wer ich sei und was ich wolle.
»Ich heiße Baumeister, ich war befreundet mit Carlo. Ich habe ihn gefunden«, sagte ich.
Er sah über meine Schulter hinweg, er murmelte kaum hörbar: »Ja«, dann noch einmal »jaaa«. Dann plötzlich: »Oh, Verzeihung. Kommen Sie doch rein!« Dann machte er die Tür auf und bat mich hinein. Das Wohnzimmer war eine Orgie in massiver Eiche und aus Eichenholz geschnitzten Schnörkeln. »Nehmen Sie Platz«, sagte er.
Ich hockte mich in einen Sessel, und er stand da sehr verloren in der Tür und fragte: »Kognak, Bier, irgendwas sonst?«
Ich mußte Zeit schinden. »Vielleicht ein Wasser«, bat ich.
»Ich sehe mal nach«, sagte er und verschwand.
Über dem Sofa, das mit beigefarbenem Samt bezogen war, hing ein großes Porträt von Carlo. Jemand hatte ein schwarzes Samtband über die rechte untere Ecke gezogen. Vater Mechernich kam wieder, stellte ein gefülltes Glas vor mich hin. •
»Wie, bitte, war noch Ihr Name?«
»Baumeister, Siggi Baumeister. Ich kannte Carlo aus der Eifel.«
»Ja, ja, der Karl«, murmelte er.
»Wir nannten ihn nur Carlo«, sagte ich schnell.
»Ja, das war wohl so eine Art Spitzname. Er hieß eigentlich Karl Maria, nach Carl Maria von Weber. Das ist ein Musiker. Meine Frau mag den.« Er hockte sich auf das Sofa und faltete die Hände auf den Knien. »Nun hat der Herrgott ihn mir genommen, er war mein einziges Kind, und er sollte alles haben, die Häuser und den ganzen Betrieb.«
Ich nickte verständnisvoll. Er nahm mich gar nicht wahr, redete nur so vor sich hin. »War ja immer ein zartes Kind, also sehr empfindlich, würde ich mal sagen. Solche Kinder muß man ja laufen lassen, bis sie von selbst draufkommen.«
Ich hätte fast gefragt, auf was denn Carlo hätte kommen sollen, aber ich sagte statt dessen: »Er malte ja wirklich toll.«
»Ja. Ich verstehe ja nichts davon, aber meine Frau meinte das auch. Das da ist von ihm.«
Es war ein Ölbild in einem sehr alten, sehr kostbaren Rahmen. Es zeigte eine Gruppe von Waldweidenröschen vor einer alten Rotsandsteinmauer, sehr naturalistisch gehalten, zugleich versponnen, für mein Empfinden sehr gut. Er atmete scharf aus. »Wir hatten mal Krach, er setzte sich hin, malte es und schenkte es mir. Es ist sehr nett, daß Sie gekommen sind.« Er wollte mich loswerden, um mit seinem Kummer allein zu sein. Schnell sagte ich: »Sie wollen ja sicher wissen, wie ich ihn gefunden habe. Das war am Donnerstag...«
Er unterbrach mich hastig: »Moment, ich hole Martha. Martha ist meine Frau, und sie will es sicherlich auch hören.«
Irgend jemand unten auf der Straße lachte laut und schrill, um einen altrosa Lampenschirm surrte eine Fliege, irgendwo in der Wohnung schlug eine Tür zu, und dann stand sie vor mir. Sie war eine schlanke, blonde Frau mit einem nicht uninteressanten Gesicht. Sie trug eine schwarze Spitzenbluse über schwarzen Jeans, und das erste, was ich mich fragte, war: Wie kommt dieser Berg von Mann, dieser Bilderbuchmetzger, an diese Frau?
Sie gab mir die Hand und sagte mit einer überraschend tiefen Stimme: »Martha Mechernich. Sie sind ein Freund von Karl? Hat er ... hat er ... wie war das?«
»Er hat nicht gelitten«, sagte ich. »Er kann nicht gelitten haben.«
»Nehmen Sie doch wieder Platz.« Sie setzte sich neben ihren Mann und sah mich aufmerksam an. »Wir kannten seine Welt in der Eifel kaum, und er erzählte so wenig.« Sie lächelte scheu und gehetzt ihrem Mann zu, als bitte sie um Vergebung für diese Bemerkung. »Er war immer ein zartes Kind. Voller Träume, will ich mal sagen.«
»Wir brauchen alle Träume«, sagte ich vage.
»Na sicher«, polterte Mechernich. »Jeder braucht seinen Traum, ich hatte meinen auch: Das Haus hier, der Betrieb, der Party-Service.«
Sie versuchte zu lächeln. »Wie ist es denn... wie ist das gekommen?«
»Ich traf ihn immer im alten Munitionslager der Bundeswehr«, erklärte ich. »Ich war mit ihm verabredet, wir wollten...«
»Ach, Sie sind Bundeswehr«, sagte Vater Mechernich erfreut. »Tja, da hat er ja lernen können, wie dieses Land ist. Ich hab' ihm immer gesagt...«
»Herr Baumeister ist sicher
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