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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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gilt auch für die Leute aus Hamburg.«
      »Ich werde also abgehängt?«
      »Ja.«
      »Wohin gehst du, wann kommst du zurück?«
      »Das sind Fragen, die mich bewogen haben, nie zu heiraten.«
      Ich zog mich etwas feiner an, da ich dachte, daß ein Metzgermeister das erwarten darf. Dann fuhr ich durch das Ahrtal an den Rhein und grübelte darüber nach, wer bei der SPD in Bonn wissen könnte, was der tote General zuletzt geschrieben hatte. Und: Wer in der SPD würde mir das sagen?
      Eine Ente war vor mir, eines jener Autos, von denen die Leute sagen, es sei kein Auto, sondern eine Weltanschauung. Das Mädchen am Steuer hatte sich einen Aufkleber geleistet, auf dem sie verkünden ließ: ALS GOTT DEN MANN SCHUF, ÜBTE ER NUR! Bevor ich zum Überholen ansetzte, hupte ich sicherheitshalber, weil nie klar ist, wie diese rollenden Kriegserklärungen reagieren. Aber sie grinste zu mir hinüber und strahlte mich durch unglaublich dicke Brillengläser an. »Mach's gut, Mädchen!« schrie ich; mir war, als könnte ich es mit der ganzen Welt aufnehmen. Da hupte sie fröhlich zurück, und selbst die Hupe hatte etwas Rührendes, sie klang wie das Rülpsen eines satten Kleinkindes.

Doch meine gute Laune war mit einem Schlag verflogen, als ich im Rückspiegel sah, wie sie in ein Handmikrophon sprach. Sicher, sie mochte CB-Amateurin sein, aber ich hatte keine auffällige Antenne gesehen. Entweder litt ich an Verfolgungswahn, oder sie beschatteten mich auf Schritt und Tritt. Ich würde auf jeden Fall von letzterem ausgehen.
      Bad Godesberg beherbergt Tausende von Diplomaten und hat eine Fußgängerzone, in der ich immer unwillkürlich schneller gehe, weil ein paar Geschäfte so teuer sind, daß ich mich ständig nach ALDI und Woolworth sehne. Genau dort hatte sich zwischen einem Juwelier und einem Geschäft für Haute Couture in Übergrößen der Vater des toten Carlo in harter Handwerksarbeit ein kleines, feines Fleischimperium aufgebaut, das vor allem durch Chrom, Glas und Edelhölzer aus der dritten Welt auffiel. Es gab die obligate Werbung, daß nur das Fleisch >hiesiger Schweine< verarbeitet würde, wobei der Zusatz fehlte, daß hiesige Schweine ganz arme Säue sind. Jemand hatte auf die Fensterscheibe, genau vor einem Kalbskopf aus Plastik, einen Zettel geklebt: >Unser Geschäft bleibt Montag, Dienstag und Mittwoch wegen eines Trauerfalls geschlossen. Unsere Filialen bleiben geöffnet.< Der Bau war fünf Stockwerke hoch mit scheußlichen, aber teuren Fliesen belegt. Es gab außer den Mechernichs sechzehn Mietparteien.
      Ich sah mir gegenüber vom Fleischpalast die Auslage eines Trikotageladens an, der sich >Bad Ladies< nannte. Scharf an einem duftigen Damenhöschen vorbei beobachtete ich das Metzgerhaus in der Spiegelung der Schaufensterscheibe. Ich suchte nach den Figuren im Fußgängerstrom, die sich wiederholten. Ich mußte so lange suchen, daß eine der >bad ladies< im Laden mir schon ganz irritierte Blicke zuwarf. Dann entdeckte ich sie. Es waren zwei junge Männer, ausgestattet mit jener Kleidung, die aussieht wie ein zu großer Müllsack, die aber als >salopp< gilt. Offensichtlich hatten sie nichts miteinander gemein; sie gingen nur rein zufällig vor des Metzgers Haus hin und her, wobei sich ihre Wege dauernd kreuzten. Sie wirkten wie Azubis der Geheimniskrämer-Branche, denn fast jedesmal, wenn sie aneinander vorbeistrichen, sagte einer von ihnen irgend etwas, wobei sich die Lippen kaum bewegten und beide scheu zu Boden blickten. Der eine war sehr klein und wirkte nervös, der zweite war eine lange Bohnenstange und ungefähr so unauffällig wie ein kleiner rosa Elefant.
      Nachdem ich sie viermal erlebt hatte, drehte ich ab und ging um den Block herum. Ich entdeckte eine Passage, die in den Block hineinführte und die von einem Goldschmied beherrscht wurde, der mit schreienden Schildern nach Zahngold verlangte. Links von seinem Laden gab es eine Tür, an der nichts stand, nicht einmal das schreckliche deutsche Wort privat. Sie war nur angelehnt, ich kam in einen Hinterhof. Hier gab es keine jungen Männer, die sich etwas zuflüsterten, statt dessen aber eine weitere Tür mit einer Klingel, auf der nur Mechernich stand. Ich läutete, und jemand drückte auf den Summer. Es ging eine schmale Treppe hoch, die abrupt vor einer Palisandertür endete.
      Die Tür schwang nach innen auf, und vor mir stand ein Mann, rötlich blond, ein Berg mit einem tiefroten, kummervollen Gesicht. Er hatte die

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