Der General und das Mädchen
vorliegen.«
»Keineswegs. Ich habe Sie fotografiert. Ich bin der Journalist, der die Leiche des Generals entdeckt hat. Ich möchte Sie fragen, ob dieser Vandalismus notwendig war.«
»Hören Sie«, sagte er mit deutlich wachsender Erregung, »ich verstehe das alles wirklich nicht. Ich bin LKW-Fahrer, und ich ...«
»Sie fahren Dynamit. Ich weiß das. Sind Sie auf die Idee gekommen, die zwei Häuser ausgerechnet mit Phosphor und Magnesium hochzujagen, oder haben Sie da Ihre Vorschriften?«
Endlich dämmerte ihm, daß ich viel zuviel wußte. Er hatte auch begriffen, daß er irgendwie reagieren mußte. Aber um seine Frau nicht aufmerksam zu machen, sagte er lahm: »Wenden Sie sich bitte an meine vorgesetzte Behörde.«
»Und wer ist das? Axel? Der Oberst Werner Bröder?«
»Hören Sie, ich bin hier privat, ich lebe hier. Meine Familie geht mir über alles. Ich kann Ihnen nichts sagen.«
»Aber Sie fragen ja gar nicht, wer Axel ist.«
Er sah mich an, er war verwirrt.
Ich murmelte: »Schon gut, Sie geheimnisvoller Dynamitfahrer. Ich wollte eigentlich auch nur wissen, wie ein braver deutscher Beamter aussieht, der auf die Idee kommt, anderer Leute Hab und Gut zu zerstören. Sind Sie eigentlich stolz darauf?« Ich drehte mich um und ließ ihn stehen.
Ich hockte mich in den Wagen und hörte zu, wie Udo Lindenberg >Ich lieb' dich überhaupt nicht mehr< sang.
Germaine kam kurz darauf und setzte sich neben mich. »Was hast du herausgefunden?«
Ich sagte es ihr.
»Er fährt also Dynamit«, murmelte sie. »Das ist ja furchtbar komisch. Ob seine Frau weiß, was er wirklich tut?«
»Glaube ich nicht. Und nun zu dir.«
»Ich war beim Metzger, im Kiosk, in der Bäckerei, in der Apotheke. Diese Deckers sind eine Familie wie tausend andere auch. Da war im Kiosk eine dicke blonde Schlampe, die ziemlich viel weiß. Sie weiß zum Beispiel, daß Frau Decker alle zwei Tage eine Flasche Branntwein für neun Mark kauft. Und jeden Morgen, wenn sie die Kinder zur Schule gebracht hat, kauft sie einen Dreierpack Magenbitter. Sie raucht locker ihre sechzig Zigaretten am Tag. Die Schlampe wußte auch, daß Decker gut verdient und in Bonn ein Apartment hat, in dem er meistens lebt. Mit einer anderen Frau übrigens. Die Schlampe weiß es, weil die Decker von Zeit zu Zeit ausflippt, in eine Alkoholvergiftung rauscht und in diesem Zustand nicht gerade schweigsam ist. Eine Apothekerin vertraute mir an, das mit dem Familienleben sei hierzulande meistens eine Farce, so etwas wie schlechtes Ohnsorg-Theater. Blühende Verlogenheit, nannte sie das. Und so ist es denn auch kein Wunder, daß Herr und Frau Decker seit drei Jahren geschieden sind und nicht einmal die eigenen Kinder davon wissen.«
»Ist das verbürgt?«
»Verbürgt. Die Apothekerin sah richtig geil aus, als sie das preisgab.«
Jemand kam schnell wie ein Schatten aus dem Decker-Haus im Meisenweg gelaufen.
»Scheiße!« fluchte ich. »Rühr dich nicht von der Stelle!«
Decker kam direkt zum Wagen und fragte etwas atemlos: »Kann ich Sie kurz sprechen?«
»Selbstverständlich«, sagte ich.
»Nicht hier. Können wir in die Tiefgarage gehen?«
»Tu es nicht!« sagte Germaine scharf. Er ignorierte sie.
»Können wir!« sagte ich und stieg aus.
Er ging vor mir her die bogenförmige Einfahrt hinunter. Es war empfindlich kühl in diesem Betonkeller. Er steuerte eine weit entfernte Ecke an, drehte sich um und fragte: »Was wollen Sie eigentlich mit diesen Informationen?«
»Ich bin Journalist«, sagte ich. »Ich habe Sie enttarnt, und ich will wissen, wie ein Mann aussieht, der ung-straft wie ein Vandale in anderer Leute Häuser herumsauen darf. Sie können mir und der Öffentlichkeit dieses Interesse nicht verübeln.«
»Jemand muß mich verraten haben«, sagte er.
»Niemand hat Sie verraten. Das war gar nicht nötig. Ihr Geheimdienstfritzen seid so sehr von der Rechtmäßigkeit eures Handelns überzeugt, daß Selbstkritik scheinbar unbekannt ist. Es war gar nicht schwer, Sie zu finden.«
»Und jetzt schreiben Sie?«
»Nicht sofort. Ich lasse mir Zeit. Sie sind eigentlich nur ein Rädchen in dieser Maschine.«
»Kann ich dieses Foto von mir haben?«
»Nein.«
»Aber es gibt ein Recht auf das eigene Bild«, sagte er matt.
»So etwas gibt es, das stimmt. Aber wenn Sie eine Figur des öffentlichen Interesses sind, erlischt dieses Recht.
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