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Der General von Dorsai

Der General von Dorsai

Titel: Der General von Dorsai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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die Hand von der Stirn und neigte den Kopf nach unten.
    „Senior-Gruppenführer“, sagte er mit leiser, aber weit tragender Stimme. „Sie erschießen den nächsten Mann, der den Mund aufmacht, ohne von mir oder Ihnen dazu aufgefordert worden zu sein. Das ist ein direkter Befehl.“
    Als es mucksmäuschenstill geworden war, hob er wieder den Kopf, beschattete seine Augen und spähte durch die Baumwipfel hindurch zum Waldboden.
    Das Geheimnis effizienter Beobachtung heißt Geduld. Er konnte nichts entdecken, aber er hielt weiterhin Ausschau und rührte sich nicht. Er betrachtete nichts im besonderen und alles im allgemeinen. Und nach vier langen Minuten wurde seine Mühe belohnt. Aus den Augenwinkeln nahm er eine blitzschnelle Bewegung wahr. Er machte sich nicht die Mühe, sie erneut zu lokalisieren, sondern fuhr damit fort, den betreffenden Bereich im allgemeinen zu beobachten. Und allmählich – wie Umrisse, die auf einem sich entwickelnden Foto vor verschwommenem Hintergrund von Sekunde zu Sekunde kontrastreicher hervortreten – konnte er sie immer deutlicher erkennen: Gestalten, die von Deckung zu Deckung glitten, eine ganze Reihe von Männern, die sich dem Lager näherten.
    Wieder schob er vorsichtig die Zweige zur Seite und beugte sich nach unten.
    „Das Feuer wird erst eröffnet, wenn ich pfeife“, sagte er, und seine Stimme war noch leiser als zuvor. „Gebt den Befehl flüsternd weiter.“
    Er hörte, wie die Anordnung weitergeleitet wurde – es war wie ein Windhauch in Zweigen und Ästen. Er hoffte, daß sie nicht nur den letzten Mann der Dritten Gruppe, sondern auch die Soldaten des Ersten und Zweiten Verbandes erreichte.
    Die kleinen, in Chamäleonanzüge gekleideten Gestalten rückten weiter vor. Durch die Blätter und Zweige hindurch, die ihm Sichtschutz gewährten, behielt er sie genau im Auge, und bald darauf entdeckte er, daß auf der rechten Schulter eines jeden Kampfanzugs ein schwarzes Kreuz aufgenäht war. Bei diesen Männern handelte es sich nicht um Söldner. Es waren einheimische Elitesoldaten der Vereinten Orthodoxen Kirche, hervorragende Kämpfer und wilde Fanatiker zugleich. Und noch während er in Gedanken diese Feststellung traf, begannen die vorrückenden Männer mit dem Angriff auf das Lager. Sie waren vorstürzende Schatten in dem düsterroten Schein der Morgendämmerung. Ihr durchdringendes Heulen und Kreischen wurde eine Sekunde darauf von dem schrillen Sirren ihrer Suchgeschoß-Schleudern untermalt, als die Selbstlenksplitter ihrer Waffen durch die Luft jagten und Holz und Fleisch zerfetzten.
    Sie befanden sich noch nicht unter den Bäumen, in denen sich Donals Truppe verbarg. Aber seine Männer waren Söldner, und sie hatten Freunde in dem Lager, das die Elitesoldaten der Orthodoxen Kirche angriffen. Er hielt sie so lange wie möglich zurück – und noch ein paar Sekunden länger. Und dann setzte er seine Pfeife an die Lippen, nahm den Dämpfer ab und blies. Der schrille Laut hallte im ganzen Lager wider.
     
    Von den Bäumen aus eröffneten seine Männer wütend das Feuer. Und für ein paar Augenblicke herrschte am Boden ein fürchterliches Durcheinander. Es ist nicht einfach, sofort festzustellen, aus welcher Richtung die Splitter einer Suchgeschoß-Schleuder abgefeuert werden. Etwa fünf Minuten lang kämpften die angreifenden Soldaten der Orthodoxen Kirche in der irrtümlichen Annahme, daß die Waffen, die ihre Reihen lichteten, in einem Hinterhalt auf Bodenniveau verborgen waren. Es waren kompromißlose Kämpfer. Sie schossen auf alles, was sich bewegte, auf alles, das sie sehen konnten. Doch als sie ihren Fehler bemerkten, war es zu spät. Das Feuer von hunderteinundfünfzig Gewehren konzentrierte sich auf ihre zusammengeschrumpfte Gruppe. Und wenn nur einer dieser Männer so gut schießen konnte wie ein Dorsai, dann spielte das Geschick der anderen keine Rolle mehr. Kaum vierzig Minuten waren vergangen, seit Donal seine schlaftrunkenen Männer in die Bäume hinaufgetrieben hatte – und der Kampf war vorüber.
    Die Dritte Gruppe verließ ihr hoch gelegenes Versteck. Einer der ersten, die den Boden erreichten – ein Soldat namens Kennebuc – setzte ruhig sein Gewehr an und jagte einem sich vor ihm in Schmerzen windenden Orthodoxen einen Selbstlenksplitter durch die Kehle.
    „Aufhören!“ rief Donal scharf. Ein Söldner haßt mutwilliges Töten. Es ist nicht seine Aufgabe, den Gegner abzuschlachten, sondern ihn im Kampf zu besiegen. Es blieb bei dem einen Schuß.

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