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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stelle des Flüßchens. »Sehen Sie«, sagte Sorant, auf einige Schilfhalme weisend, die mit kleinen, grüngelben Pünktchen übersät waren. »Blattläuse.«
    »So?« antwortete Lucia. »Blattläuse?«
    »Blattläuse.« Er nickte bekräftigend mit dem Kopf. »Wissen Sie über die Bescheid?«
    »Nein. Gehört habe ich natürlich schon von ihnen.«
    Robert Sorant war auf einem fürchterlich banalen geistigen Weg. Er war eben nicht in Bestform an diesem Tag. Das kann auch dem klügsten Mann passieren.
    »Dann kennen Sie sicher auch nicht die Geschichte von der Blattlaus und dem Wasserfloh«, setzte er rasch zu einem Höhenflug seiner Phantasie an. »Eine Parallele zu Hero und Leander. Mein Großvater erzählte sie immer, wenn er am Ofen saß. Er hatte nämlich Gicht und mußte seine Beine warm halten – der Großvater selbstverständlich, nicht der Wasserfloh. Und dabei konnte er erzählen, erzählen konnte der, sage ich Ihnen. Also, hören Sie: Es war einmal ein Wasserfloh, der liebte eine nette, grüne Blattlaus. Diese jedoch war streng erzogen und von ihrem Vater schon einem eingebildeten Blattläuserich versprochen. Jedesmal nun, wenn der verliebte Wasserfloh sein Blattläuslein am Schilfhalm traf, wo die beiden Küsse austauschten, quollen dem Blattläuslein dicke Tränen aus den Augen. ›Schnucki‹, sprach da der Wasserfloh, ›warum weinst du. Erlaubt dein Vater nicht die Hochzeit, dann entführe ich dich genauso, wie weiland mein Ahne, der feurige Troubadour Flitzeflitz, den später eine Wasserspinne fraß, seine Braut, eine geborene Kaulquappe, entführte.‹ Und er küßte das Blattläuslein und streichelte ihr den linken Vorderfuß. Das aber entging nicht ihrem Vater, der zufällig mit dem Blattläuserich, seinem Favoriten, des Weges kam und …«
    Lucia Jürgens blieb stehen, Robert Sorant zwangsläufig auch. Lucia stemmte die Fäuste in die Hüften. »Wenn Sie nicht sofort aufhören mit dem Quatsch, stoße ich Sie ins Wasser, Sie Kölner Jeck.«
    Dem Bedrohten blieb nichts anderes übrig, als zu antworten: »Haben Sie etwas gegen Kölner Jecken?«
    »Das kommt darauf an. Alles zu seiner Zeit.«
    »In Verbindung mit Blattläusen und Wasserflöhen scheinen Sie sie jedenfalls abzulehnen?«
    »Ganz entschieden!«
    »Ihnen fehlt es eben an Phantasie.«
    »Und Ihnen an Intelligenz.« Sie blickte ihm fest ins Gesicht. »Nein«, korrigierte sie sich, »daran fehlt es Ihnen nicht, man sieht's. Dann frage ich mich aber, was Sie mit solchem Blödsinn, den Sie da erzählen, verfolgen.«
    »Ich danke Ihnen!« rief er erfreut.
    »Danken? Wofür?«
    »Sie ließen soeben wenigstens einen guten Faden an mir!«
    »Welchen?«
    »Eine gewisse Intelligenz gestanden Sie mir zu. Das heißt mich hoffen.«
    »Worauf hoffen?«
    »Auf meine Chancen bei Ihnen.«
    »Chancen bei mir?«
    »Ja. Merken Sie denn nicht, daß mir daran gelegen ist? Die ganze Zeit schon strebe ich nichts anderes an.«
    Lucia strich sich eine ihrer schwarzen Locken aus den Augen. Ihr roter Mund leuchtete, die Zähne blitzten. Sie sah süß aus, einfach süß und betörend, so daß Roberts Herz schneller schlug und es ihm unter seiner Haut deutlich wärmer wurde. Und rundherum die prangende Natur, das Rauschen der Bäume am Ufer, das Murmeln der Wellen, der Duft der wilden Blumen. Es war Mai, richtiger, lichter, herrlicher Mai – Monat des Frühlings.
    In der Herzgrube bohrte es, nicht weit entfernt von der Bauchspeicheldrüse …
    Robert Sorant war verliebt. Und als er dies nun plötzlich wußte, schlug ihm das Gewissen – er dachte kurz an Gerti, seine Frau –, und dann wieder war er doch frevelhaft genug, sich im Inneren einzugestehen, daß er glücklich war.
    »Warum sagen Sie nichts?« fragte er Lucia, und er freute sich, denn er sah, daß sie errötete. Es war zu spüren, daß sie gegen sich selbst ankämpfte.
    Ihr geht es genauso wie mir, wagte er zu hoffen.
    »So sagen Sie doch etwas, Lucia.«
    Ehe sie dies tat, setzte sie sich, zusammen mit ihm, wieder einmal in Bewegung. Dann fragte sie ihn ausweichend: »Was sind Sie eigentlich von Beruf?«
    Er antwortete: »Wenn ich nun sagen würde … Versicherungsagent?«
    Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Oder Architekt?«
    Erneutes Kopfschütteln.
    »Jurist?«
    »Nein!« rief sie spontan.
    »Techniker?«
    »Auch nicht.«
    Nun war Robert reif, eine Unvorsichtigkeit zu begehen. »Schriftsteller?« meinte er.
    Lucia starrte ihn an. Irgend etwas irritierte sie. Doch dann schüttelte sie energisch den

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