Der Gentleman
und ungestört in meinem Bettchen. Ich befinde mich in Gesellschaft.«
»Mit wem?«
Das klang wie ein Pistolenschuß aus dem Munde Roberts, dessen Eifersucht jäh aufgeflammt war.
»Mit meinem Sonnenbrand«, sagte Lucia.
Robert küßte ihr reumütig die Hand. Statt zu bleiben, um unter Lucias Plumeau als Gesellschafter den ersten Platz, der ihm wohl eingeräumt worden wäre, einzunehmen, ging er zur Tür, drehte sich noch einmal um und sagte: »Ich bin ja auch nicht ungeschoren davongekommen, mein Engel. Bis übermorgen können wir uns gegenseitig die Hautfetzen abziehen.«
Robert Sorant hatte eine seiner besinnlichen Stunden. Er stand am Fenster seines Hotelzimmers und blickte hinaus auf die mäßig belebte Straße – d.h., er blickte in Wirklichkeit nicht hinaus, sondern nach innen, hinein in sein Inneres. Dies ist eben das Wesen einer wahren besinnlichen Stunde, in der sich bei den meisten Menschen Philosophisches und Melancholisches zu mischen pflegen. Auf Robert Sorant traf dies ganz besonders zu.
Er stand also an seinem Fenster und blickte nicht, wie es den Anschein hatte, hinaus auf die Straße, sondern hinein in sein Inneres. Was er sah, gefiel ihm nicht.
Er dachte an seine Frau.
Ich höre nichts von ihr, dachte er, warum nicht?
Sein letzter Brief an sie war immer noch unbeantwortet. Weshalb?
Weshalb rührte sich Gerti nicht? Lebte sie in Köln in den Tag hinein, munter und gesund? War sie vielleicht sogar froh, ihn nun schon eine ganze Weile vom Hals zu haben? Stopfte sie sich mit Sahnetörtchen, für die sie ›starb‹, voll? Schüttete sie Bohnenkaffee, für den sie ebenfalls vorgab, ohne weiteres ihr Leben zu lassen, in sich hinein? War ihr der Mann, dem man sie angetraut hatte, gleichgültig geworden? Spielte ihr Gemahl nicht mehr die erste Geige bei ihr?
Diese Möglichkeit kann nicht ganz von der Hand gewiesen werden, mußte sich Robert Sorant eingestehen. Und das nagte an ihm. Es war sein gekränkter Stolz, der ihm zu schaffen machte. Ein Robert Sorant wurde einfach in die Ecke gestellt? Das gab's doch gar nicht!
Die sanfte, liebevolle, in ihren Mann vergaffte Gerti war doch dazu gar nicht fähig. Oder doch?
Dann wäre es Robert schon lieber gewesen, sie hätte sich ins nächste Taxi gesetzt – ohne Rücksicht auf die Kosten –, um sich nach Altenbach transportieren zu lassen und dort nach dem Rechten zu sehen und ihrem Gatten den Kopf zu waschen, ihn eventuell sogar zu ohrfeigen …
Apropos Ohrfeigen. Was war's denn damit? Nicht einmal dieses Versprechen schien einer Einlösung näherzukommen.
Sorant verließ seinen Standort am Fenster und setzte sich aufs Sofa. Die Shagpfeife zwischen seinen Zähnen war kalt geworden. Sie neu zu entzünden, kostete Mühe und Zeit. Dann paffte er ein paar dicke Rauchwolken in die Luft, nahm die Pfeife aus dem Mund, hielt sie in der Hand und betrachtete sie. Aber auch dieses Betrachten fand in Wirklichkeit wieder gar nicht statt, sondern Roberts Blick ging abermals nach innen.
Liebte ihn Möpschen überhaupt noch? Hatte sie ihn je geliebt?
So genau konnte man das bei einer Frau, die man in gesicherten Verhältnissen geheiratet hatte, nicht sagen. Gerti behauptete zwar immer, er sei dummerweise ihre große Liebe, was sie selbst nicht verstehen könne, aber war das auch die Wahrheit? Wenn jetzt plötzlich, fragte sich Robert, meine Bank zusammenkrachen, wenn Schulden unser Haus auffressen würden und wir in eine Zweizimmerwohnung ziehen müßten, würde dann Möpschen immer noch ›mein Jungchen‹ sagen, immer noch lachen und fröhlich sein, fest zu mir stehen, an mich glauben, mit mir darben, an meiner Seite zupacken? Würde sie das tun, ohne zu murren, ohne mich mit Vorwürfen zu traktieren, ohne mir sogar den Laufpaß zu geben? Brachte Möpschen, die nichts anderes kannte als Sicherheit und Geborgenheit, notfalls die Kraft auf, auch Not auf sich zu nehmen, die Not ihres Gemahls? Sie sagte freilich: »Ja, immer!«, aber in der Theorie sehen solche Dinge unvergleichlich leichter aus als in der Praxis. Und gerade das war es, was Robert Sorant nicht wußte und ihn auf einmal mißtrauisch und kritisch gegen seine Frau stimmte.
Und Lucia, wie verhielt es sich diesbezüglich mit ihr? Ach du liebe Zeit!
Lucia war eine ganz andere Natur als Gerti. Solche Fragen konnte man sich bei ihr gar nicht stellen. Erstens war sie schon einmal viel jünger, leichtlebiger. Dann war sie keine Kämpferin; Widerstände forderten sie nicht heraus, sondern sie ging ihnen
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