Der Gentleman
eine Kleinbildkamera aus der Tasche, drehte am Belichtungsmesser, suchte den günstigsten Schußwinkel, sorgte in allem für die beste Einstellung und knipste endlich den nackten Robert Sorant neben der nackten Lucia Jürgens. Er tat dies von oben, von rechts und von links unter besonderer Berücksichtigung der Gesichter und des Armes von Robert, der auf Lucias bloßer Brust lag. Zufrieden ließ er dann die Kamera wieder verschwinden, nahm einen Zettel und schrieb etwas auf denselben, legte ihn neben Sorants Kopf auf die Decke, nickte grinsend, murmelte: »Viel Vergnügen« und trat endlich auf lautlosen Sohlen ab; das Gebüsch verschluckte ihn.
Gerti Sorant, meine Auftraggeberin, kann wahrlich mit mir zufrieden sein, sagte sich der Mann; schlagendere Beweise für die Untreue ihres Gatten sind nicht zu erbringen.
Als Robert Sorant endlich erwachte, entdeckte er sofort den Zettel, auf dem in Blockschrift stand: SCHÖNER GRUSS VON AMOR
Lucia schlief noch. Robert blickte sich um. War kaum anzunehmen, daß Amor deutsch (statt lateinisch) sprach und sich der Blockschrift bediente. Hatte sich also doch ein menschliches Wesen – und kein göttliches – hierher verirrt und sich diesen Scherz erlaubt. Sicher ein Mann. Eine Frau versagt sich solche Späßchen, dachte Robert. Na, fuhr er in Gedanken fort, hoffentlich sind ihm bei dem, was er sah, nicht die Augen herausgefallen. Bei mir kann ihm nur der blanke Neid gekommen sein, und Lucias Pracht muß ihm auch schmerzlich zum Bewußtsein gebracht haben, mit welchen Dürftigkeiten er sich im Zuge seiner bisherigen Partnerschaften zu begnügen hatte.
Robert ahnte die wahre Identität des Unbekannten nicht im entferntesten, und so maß er dem Zettel keine Bedeutung bei. Um sicherzustellen, daß auch Lucia sich nicht beunruhigte, knüllte er den ›Fetzen‹ zusammen und warf ihn fort ins hohe Gras. Von dieser Bewegung aufgeschreckt, erwachte Lucia und blickte um sich.
»Wie spät ist es?« fragte sie.
Sorant schaute auf seine Armbanduhr, das einzige, was er noch am Leib trug.
»Mann«, brummte er, »wir haben länger als drei Stunden geschlafen.«
»Müssen wir aufbrechen?«
»Bald – wenn wir hier nicht verhungern wollen.«
»Knurrt dir schon wieder der Magen?«
»Ein bißchen. Dir nicht?«
»Nein.«
»Trotzdem«, sagte Robert mit Nachdruck, »empfiehlt es sich besonders dir, nicht mehr länger hier zu verweilen.«
»Wieso?«
»Weil« – Roberts Blick glitt zum wiederholten Male über Lucias Körper – »wir beide etwas vergessen haben.«
»Was?«
»Uns einzuschmieren.«
»O Gott!«
Die erschrockene Lucia hatte blitzschnell Beine und Arme angezogen und war aufgesprungen. Sie blickte an ihrer Vorderseite hinunter. Was sie sah, ließ sie zum Angriff auf Robert übergehen.
»Daran bist du schuld!« rief sie.
»Lucia, nicht nur ich. Du –«
»Du hättest mich daran erinnern müssen!« unterbrach sie ihn.
»Gut, aber –«
»Wozu hast du die Sachen gekauft?«
»Wir beide –«
»Ein anderer Mann hätte es gar nicht erwarten können, mich einzuschmieren. Aber du –«
»Ich«, unterbrach nun er sie, »durfte doch am Anfang nicht einmal hingucken bei dir. Und jetzt sprichst du plötzlich davon, daß ich dich hätte einschmieren sollen. Du bist ungerecht.«
Der Streit zwischen den beiden ging noch eine Weile weiter, erhitzte sich sogar noch etwas mehr, flaute dann ab, bis ihn Robert beendete, indem er sagte: »Komm, laß uns gehen, ich lade dich zum Essen ein. Das soll meine Strafe sein, die ich mir selbst auferlege.«
»Nein«, antwortete sie, zum Frieden bereit, »umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ich lade dich ein, bei mir in meiner Wohnung. Den Zank habe ich vom Zaun gebrochen, tut mir leid.«
So klang denn der Tag noch sehr schön aus, bei leckeren Brötchen, die belegt waren mit Wurst, kaltem Braten und Käse; dazu gab's Tee für Lucia und Bier für Robert. Einer Flasche Wein wurde dann noch gemeinsam der Hals gebrochen.
»Gute Nacht«, sagte Robert spätabends zum Abschied etwas beschwipst. »Schlaf schön und träum süß von deinem dich liebenden …«
… Robert, hätte er beinahe gesagt.
»Heinz«, sagte er, nachdem ihm gerade noch rechtzeitig der richtige Name für die Gelegenheit, der er sich zu fügen hatte, eingefallen war.
»Daran zweifle ich«, antwortete Lucia.
»Woran zweifelst du?«
»Daß ich schön schlafen und süß träumen werde.«
»Sicher wirst du das, allein und ungestört in deinem Bettchen.«
»Ich bin nicht allein
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