Der Gentleman
sie wollen. Was kümmert's uns, Schätzchen?«
Lucia schwieg. Sie sah nicht so optimistisch wie er in die Zukunft. Und sie sollte recht behalten. Schon ganz rasch, praktisch bereits am nächsten Tag, begann sich die Front gegen das Paar ›in Sünde‹ zu bilden; die eine Teilfront gegen ›das Flittchen‹ und die andere gegen ›den Ehebrecher‹.
Letzterem war das egal, ersterer nicht.
Lucia kam z.B. in ihren gewohnten Lebensmittelladen. Drei Kundinnen befanden sich bereits in demselben und ergingen sich in einem Schwätzchen. Sie verstummten, wappneten ihre Augen mit deutlich abschätzigem Ausdruck. Lucia kannte sie alle drei, zumindest vom Sehen. Sie grüßte freundlich. Nur die Geschäftsinhaberin grüßte zurück.
»Sie wünschen?« fragte sie Lucia, nachdem sie mit den drei Frauen, die in einem Grüppchen zusammenstanden, gewisse Blicke getauscht hatte.
»Aber ich komme noch nicht dran«, erwiderte Lucia erstaunt.
»Das macht nichts, Fräulein Jürgens. Was möchten Sie haben?« Die Betonung der Geschäftsinhaberin lag auf dem ›Fräulein‹.
Lucias Verwirrung wuchs.
»Ich kam als letzte, Frau Scheilhorn.«
Frau Scheilhorn blickte fragend das schweigsam gewordene Dreiergrüppchen an. Und wie aus einem Munde erklärte dieses: »Wir können warten.«
Lucia spürte, daß ihr ein neues Gefühl entgegenschlug, eines der Schärfe.
»Ich kann auch warten«, erklärte sie bockig.
Ein kurzes Weilchen blieb es still, dann räusperte sich eine der drei und sagte: »Sie haben es eiliger als wir, Fräulein.«
Wieder dieses ›Fräulein‹.
»Ich habe es nicht eiliger, nein.«
»Doch, wir wissen das.«
»Was wissen Sie?«
»Was Sie zu Hause erwartet, in Ihrem Schlafzimmer.«
Über und über rot geworden, verließ Lucia abrupt das Geschäft. Weinend schloß sie ihre Wohnungstür auf.
»Warum weinst du schon wieder?« fragte Robert sie, als er ihrer ansichtig wurde.
Schluchzend berichtete sie ihm, was sich zugetragen hatte. Er tröstete sie.
»Kümmere dich nicht darum, such dir ein anderes Geschäft.«
»Das ist hier nicht so einfach, Heinz. Die kennen mich überall. Altenbach ist nicht Köln.«
»Es wird doch noch einen Laden geben, in dem du fremd bist?«
»Kaum.«
»Dann gib ihnen contra. Sag ihnen, daß aus ihnen nur der Neid spricht. Daß sie froh wären, wenn in ihren Schlafzimmern noch von solchen Erwartungen zu sprechen wäre.«
Lucia trocknete sich die Tränen.
»Das kann ich nicht, Heinz.«
»Dann mußt du es lernen, mein Schatz, ihnen die Stirn zu bieten. Das Leben ist Kampf.«
Lucia steckte das Taschentuch weg. Sekunden später mußte sie es aber wieder hervorholen, weil ihr plötzlich neuerlich Tränen in die Augen schossen.
»Das Blödeste ist«, weinte sie, »daß die Weiber gar nicht recht haben mit ihren Anschuldigungen. Niemand weiß das besser als wir beide, Heinz.«
»Hm.«
»Du schläfst doch im Wohnzimmer auf der Couch«, schluchzte sie in herzzerreißender Weise.
Robert Sorant blickte zornig um sich. Die Leute machten es ihm zu bunt. Nun reichte es ihm. Nicht er war schuld an dem, was jetzt kam, sondern die bösen Mitmenschen.
»Ab sofort«, erklärte er entschlossen, »schlafe ich nicht mehr im Wohnzimmer auf der Couch.«
»Wo denn?« Ganz rasch fragte Lucia dies.
»Wo dieses verdammte Altenbach es vermutet!«
Ein seliger Seufzer entrang sich Lucias Brust.
»Endlich!«
»Dann los!« sagte Robert, sich seines Jacketts entledigend. »Laß uns gleich damit beginnen …«
Es war ein Wettlauf zwischen den beiden, wer es als erster schaffte, ausgezogen zu sein. Und dann mußte der Koffer seinen Standort auf Lucias Bett räumen, denn dort war kein Platz mehr für ihn.
Und Roberts ganze hehren Vorsätze, die er sich all die Tage vorher eingeredet hatte, was war mit denen? Sie zerstoben vor dem Sturm der Leidenschaft, den Lucias junger Körper in ihm entfesselte.
Das Bett drohte zusammenzubrechen.
Was lag näher für Lucia, als zu sagen: »Ich erkenne dich nicht wieder, Geliebter.«
Das gleiche würde ich wahrscheinlich auch von Gerti hören, dachte Robert.
»Was hast du denn erwartet?« fragte er Lucia.
Sie seufzte nur glücklich.
»Aber ich bin von dir auch ganz schön überrascht«, fuhr er fort.
»Positiv oder negativ?«
»Positiv.«
Positiv überrascht mich diesbezüglich immer wider auch Gerti, sogar heute noch, nach jahrelanger Ehe, dachte Robert. Und das ist schwieriger.
Erschöpft schlief Lucia ein, Robert blieb wach liegen. Vieles ging ihm durch
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