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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht lösen konnte. Das hieß aber noch lange nicht, daß sie bereit war, das auch einzugestehen. Sie war keine, welche die Flinte so leicht ins Korn warf.
    »Ich kann versuchen«, sagte sie, »die Geister zu befragen. Soll ich das tun?«
    »Ja«, nickte der eifersüchtige, dadurch verstandesgeschädigte Robert.
    »Dazu müssen aber unbedingt zwei Voraussetzungen erfüllt sein.«
    »Welche?«
    »Erstens müssen Sie sich innerlich mir völlig in die Hand geben, sich mir ausliefern – wenn Sie verstehen, was ich meine?«
    »Doch«, antwortete Robert heiser.
    »Und zweitens dürfen wir nicht erwarten, daß der Kontakt der Geister mit mir – falls es mir gelingt, ihn überhaupt herzustellen – zur Beantwortung jeder Frage, die ich stelle, ausreicht. Mit anderen Worten: Sie dürfen sich hernach nicht beschweren, wenn Ihnen die Ergebnisse ungenügend oder lückenhaft erscheinen. Irgend etwas werden wir aber mit Sicherheit erfahren. Einverstanden?«
    Robert, zu allem bereit, nickte sein Einverständnis.
    Die moderne Pythia erhob sich etwas mühsam aus ihrem Sessel, ging zu den Fenstern und zog die Vorhänge zu, so daß es dunkel wurde wie in einem Kinoraum. Dann pflanzte sie in symmetrischer Ordnung eine Reihe phosphorbestrichener Leuchtstäbe auf den Boden des Zimmers.
    Unwillkürlich wurde es Robert ein wenig unheimlich. Dunkelheit umgab ihn. Nur die Stäbe – zehn an der Zahl – schimmerten und schwankten lautlos hin und her. Irgendwo in einer Ecke fauchte eine Katze, die vielleicht nicht mit der Dunkelheit, ganz sicher aber nicht mit den Leuchtstäben einverstanden war.
    »Haben Sie sich konzentriert?« kam seltsam getragen die Stimme der Alten aus dem Dunkel.
    »Auf was?« fragte Robert.
    »Heften Sie Ihren Blick fest auf die Leuchtstäbe.«
    Robert heftete.
    »Sind Sie soweit?« fragte die Stimme.
    »Ja.«
    »Und denken Sie mit aller Kraft an Ihre Frau – ja?«
    »Ja.«
    »Noch fester!«
    Robert dachte noch fester an Gerti.
    »Das ist immer noch nicht genug, ich spüre es. Sie müssen in Schweiß geraten dabei.«
    Und Robert geriet wahrhaftig in Schweiß, so sehr dachte er an sein Eheweib, dessen Verlust ihm drohte.
    Noch immer gab sich aber die Alte nicht zufrieden.
    »Sie müssen sie direkt vor sich sehen, müssen glauben, nach ihr greifen zu können. Anders geht's nicht.«
    Die Katze fauchte nicht mehr. Anscheinend hatte sie immer nur mit Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen und pflegte sich nach ein, zwei Minuten an die Leuchtstäbe zu gewöhnen.
    »Sind Sie Ihrer Frau nahe?« fragte die Stimme.
    »Ja«, antwortete Robert und fingerte nach seinem Taschentuch, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
    »Gehen Sie langsam auf den ersten Stab zu.«
    Robert erhob sich von seinem Stuhl und wunderte sich, daß die Alte im Dunkeln so gut sehen konnte, denn sie zischte, als er vorsichtig einen der Leuchtstäbe berühren wollte, sofort: »Nicht das Geisterlicht betasten! Es schafft uns die Verbindung mit dem Schicksal. Wenn menschliche Hände es berühren, reißt der Kontakt ab.«
    »Entschuldigen Sie.«
    »Können Sie die Gegenstände im Zimmer erkennen?«
    »Keinen einzigen.«
    Die westfälische Pythia brummte zufrieden.
    »Versuchen Sie«, sagte sie nach einer längeren, drückenden Pause, »immer mit Rechtswendungen durch die Lücken zwischen den einzelnen Stäben hindurchzugehen, ohne an einen anzustoßen.«
    Robert Sorant machte ohne weiteres auch das noch. Der Aberglaube hielt ihn in seinen Klauen. Seine innere Verfassung und die äußeren Umstände, der Mumpitz, hatten das bewirkt. Im normalen Zustand hätte er das weit von sich gewiesen, jetzt aber war er eben aus der seelischen Bahn geworfen. Im übrigen ist ja immer wieder zu beobachten, daß auch die intelligentesten Menschen nicht gegen die Anfechtungen des Aberglaubens gefeit sind.
    Der Geistesschaffende Robert Sorant turnte also zwischen den Leuchtstäben hindurch, und kaum war er durch die erste Lücke geschlüpft, merkte er, daß es einer besonderen Gewandtheit bedurfte, jede Berührung mit den Stäben zu vermeiden.
    »Bleiben Sie stehen!« befahl plötzlich die Stimme der Alten.
    Er stoppte.
    »Sie befinden sich jetzt inmitten des Schicksalkreises Ihres Lebens. Was sehen Sie?«
    Robert blickte sich um. Er sah nichts als Dunkelheit und zehn mattschimmernde Stäbe, die ihn umgaben.
    »Ich sehe nichts«, sagte er.
    »Schauen Sie genauer hin.«
    Sorant stierte in das Dunkel. Er gab sich alle Mühe, etwas zu entdecken.
    »Ich sehe immer noch

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