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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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berichtete sie, »dem ich hierher gefolgt bin – sonst wäre ich nie von Frankfurt weg, wissen Sie –, stürzte in den Bergen ab. Er war besessen von den Bergen und hat sogar nicht nur einmal – allerdings beim Äppelwoi – gesagt, daß er sich den Tod in den Felsen gar nicht so schlimm vorstelle. Irgendwie gehöre der zum Hochalpinisten ab Schwierigkeitsgrad vier oder fünf. So gesehen, steckte ein gewisser Trost in seinem Ende. Ich empfand das, offen gestanden, an seinem Grab ganz stark.«
    Ihre Miene hellte sich auf.
    »Kennen Sie Äppelwoi?«
    Der Kellner kam an den Tisch.
    »Zwei Alt«, bestellte Robert.
    »Eins«, korrigierte ihn Rolf. »Für dich. Ich trinke lieber eine Tasse Kaffee.«
    »Mach keinen Quatsch.«
    »Bringen Sie uns ein Alt und eine Tasse Kaffee«, sagte Rolf zum Kellner.
    »Nein!« rief Robert. »Dann zwei Tassen Kaffee und kein Alt!«
    Dabei blieb's, der Kellner entfernte sich in Richtung Theke.
    »In Frankfurt«, lächelte die Witwe, »hätten Sie sich garantiert auf Appelwoi geeinigt.«
    Als keiner der beiden etwas erwiderte, fuhr sie fort: »Oder Sie kennen Appelwoi nicht.«
    »Doch, doch«, preßte Robert zwischen den Zähnen hervor. »Auf deutsch: Äpfelwein. Den meinen Sie doch?«
    »Ja«, lachte die Witwe. »Der gibt Schwung, das glaubt man gar nicht; vor allem den Männern.«
    Langsam wurde Rolf warm mit der Dame.
    »So gesehen«, sagte er, »müßte ich auf dieses Surrogat sogar verzichten. Ich brauche stets mehr etwas Beruhigendes.«
    Dann brachte der Kellner den Kaffee.
    »Wir zahlen gleich«, erklärte Robert und ließ sich davon nicht mehr abbringen. Der stumme Widerspruch in den Augen sowohl Rolfs als auch der Witwe kümmerte ihn nicht.
    Wenig später stand das Freundespaar wieder draußen auf der Straße, und Rolf sagte zu Robert: »Was willst du eigentlich? Ich kenne mich nicht mehr aus mit dir.«
    »Dieses Weib hat mich aufgeregt von der ersten Sekunde an.«
    »Warum? Weil sie dir die Nase auf dem Leben hier gestoßen hat?«
    »Rede doch du nicht auch noch so dumm daher! ›Die Nase auf mein Leben hier gestoßen hat!‹ Was heißt denn das? Seid ihr denn alle verrückt geworden?«
    »Wir nicht, aber du. Das habe ich dir schon einmal gesagt heute.«
    »Du hast der ja auch noch richtig Wind in die Segel geblasen mit deiner Bemerkung über mein Verhältnis mit Lucia. Das hätte ich dir nicht zugetraut, das muß ich schon sagen.«
    »Wer von uns beiden hat den Anfang gemacht, frage ich dich.«
    »Ich vielleicht?«
    »Jawohl, du! Muß ich dich an den Kasten Altbier erinnern, mit dem du mich bei deiner Süßen ins rechte Licht gerückt hast?«
    Robert wußte darauf nichts zu antworten und setzte sich in Bewegung, aber wieder nicht in Richtung Kölner Straße.
    »Wohin willst du jetzt?« fragte Rolf ihn abermals.
    »Auf ein anständiges Glas Bier, das sage ich dir. Und zwar für uns beide. Mir reicht jetzt das Ganze.«
    Robert schwor innerlich seinem Plan ab, sagte sich, daß es keinen Zweck mehr habe, den zu verfolgen, doch dann, als sie den ›Ratskeller‹ betraten, schöpfte er augenblicklich wieder neuen Mut. Frische Energien belebten ihn. Wieder gab es da nämlich einen Tisch, an dem ein Mädchen allein saß.
    »Mensch!« stieß schon an der Tür Rolf leise hervor.
    Das Mädchen hatte selten schönes, volles, kastanienbraunes Haar, das ein süßes Gesicht umrahmte. Sie saß vor einem Glas Wein und schrieb in einem Büchlein. Der rotgeschminkte Mund war ein wenig geöffnet, und im Übereifer des Nachdenkens und Schreibens kauten die Zähne auf der Unterlippe. Ein enger Pullover aus dünner Wolle erleichterte jedem Experten das Urteil, daß es an dem Busen, den es hier zu begutachten galt, nicht das geringste auszusetzen gab.
    Nicht zu klein und nicht zu groß, dachte Rolf. Hundertprozentig richtig. Das ist heute schon der zweite, der mir in diesem Nest hier unterkommt. Respekt!
    Nicht mehr Robert mußte also auf den Tisch zusteuern, sondern Rolf tat dies, indem er vorausging, vor dem Mädchen anhielt und fragte, ob es erlaubt sei, Platz zu nehmen.
    Als sie saßen, verwirklichte sich Roberts Plan ganz von selbst. So ist das oft im Leben, erst arbeitet man an etwas mit Händen und Füßen, und es klappt nicht, und dann erübrigt sich plötzlich jedes eigene Dazutun. Robert hatte Rolf aus Lucias Nähe entfernen und verhindern wollen, daß er noch einmal in ihre Wohnung zurückkehrte. Zu letzterem waren nun die nötigen Voraussetzungen geschaffen. Rolf fing bei der

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