Der Gerechte
gehört nicht hierher. Halten Sie sich an die Fakten.«
»Habe ich.«
»Was sahen Sie noch?«
»Nichts mehr.«
Suko runzelte die Stirn. »Aber der Killer oder der Geist muß doch irgend etwas gesagt haben…«
Nessé schaute meinen Freund erstaunt an, schüttelte dann den Kopf und blies uns dabei eine Atemwolke entgegen. »Hat er aber nicht, und wenn Sie sich auf den Kopf stellen. Das hat er nicht, ist nicht drin. Er hat nicht gesprochen, nur gekillt.«
»Haben Sie die Waffe erkannt?«
»Werde mich hüten.«
»Wieso?«
»Hören Sie, ich habe mich nicht gerührt. Das war nicht möglich, das habe ich nicht geschafft. Mir ging der Arsch auf Grundeis. Nein, nein, so etwas ist nicht drin. Ich habe selbst dagelegen wie ein Toter, obwohl ich zitterte und Tote nicht zittern können. Ich hörte nur, wie mein Kumpel starb. Jeff hat noch gestöhnt wie ein…«
»Wir wissen schon wie«, sagte ich.
»Na ja, das war alles.«
»Er kam also durch die Wand?« fragte ich.
»Oder durch die Tür. Beide sind ja verschlossen gewesen. Das wollte mir keiner glauben. Sie haben sogar mich verdächtigt, die Zelle auf den Kopf gestellt, aber keine Waffe gefunden. Sonst hätten sie mir die Scheiße angehängt. Ich kenne die Brüder hier.«
»Reißen Sie sich zusammen!« fuhr Snyder ihn an.
»Schon gut, Chef, schon gut. Ist doch so. Das war etwas Unheimliches. Ich habe nie an Geister geglaubt. Jetzt tue ich es.«
»Haben Sie vielleicht etwas gerochen?«
Nessé staunte mich an. »Wie… wie kommen Sie denn darauf? Was soll ich gerochen haben?«
»Möglicherweise den Geruch einer Entladung. Man spricht dann von Ozon, zum Beispiel.«
»Habe ich nicht. Ich hatte nur Schiß.«
»Und gesprochen hat der Eindringling auch nicht?«
Der Gefangene schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts gehört. Weder ein Flüstern noch ein Wispern. Er kam, killte und verschwand.«
»Aber beschreiben können Sie ihn?« fragte Suko.
»Das meinen Sie?«
»Ich rechne damit.«
Er lachte uns aus. »Als ich etwas merkte, habe ich mich herumgedreht, gegen die Wand geglotzt, um nichts mehr zu sehen. Oft ist es besser, wenn man die Augen geschlossen hält. Da kann einem niemand etwas ans Zeug flicken.«
»Das glaube ich Ihnen nicht!«
»Ich lüge nicht, verdammt!«
»Schreien Sie nicht herum!« Snyder wäre fast von seinem Stuhl hochgesprungen.
»Ja, Chef, ja. Aber ich habe wirklich nichts gesehen.«
»Bevor Sie sich herumdrehten«, sagte Suko und lächelte dabei.
Nessé wurde still. Kurz danach grinste er. »Sie wollen es genau wissen, Sie sind ein ganz Raffinierter, wie?«
»Ich denke nur nach.«
»Können Sie.«
»Habe ich recht?«
Der Gefangene senkte den Blick und spielte mit Daumen und Zeigefinger an seiner Nasenspitze. »Ja und nein. Kompliment, Sie können gut fragen.« Er lehnte sich zurück und holte Luft. Ich hatte das Gefühl, daß er uns etwas vorspielen wollte. Er wußte, daß es auf ihn ankam, so hatte er die nötige Sicherheit gefunden.
»Ich sah einen Schatten«, gab er zu.
»Wo?« fragte ich.
»An der Tür, glaube ich. Er war da, ich befand mich schon im Halbschlaf, habe ja so getan, als würde ich schlafen, und der Schatten kam näher.«
»Was geschah dann?«
»Es wurde kalt.«
»Aber nicht, weil die Heizung abgeschaltet wurde, nehme ich an.«
»Richtig. Die Kälte kam von ihm. Er strömte sie aus. Der war, als hätte man Trockeneis in die Bude hineingeschoben. Das habe ich noch nie erlebt. Es war keine richtige Kälte, wie sie draußen ist, sondern eine, die nach innen ging. Verstehen Sie?«
»Reden Sie weiter.«
»Er war auch heller.«
»Als die Dunkelheit in der Zelle?«
»Ja, ich sah einen Umriß.« Er grinste. »Sogar menschlich. Auch Geister sind Menschen, wie?« Er lachte und rieb seine Hände. »Dann drehte ich mich vorsichtig um und tat so, als würde ich schlafen. Ich zitterte, daß er mich nicht erwischte. Es reichte ihm, daß er meinen Kumpel killte. Schließlich war er weg.«
»Für jede Tat gibt es ein Motiv«, sagte Suko. »Können Sie sich vorstellen, weshalb man Goldblatt umbrachte?«
Nessé streckte seine Beine vor und stemmte die Hacken der grauen Schuhe gegen den Boden. »Nein, kann ich nicht. Jeff war eigentlich ein gemütlicher Typ…«
»Ja!« mischte sich Snyder ein. »Der fünf Menschenleben auf dem Gewissen hatte.«
»Stimmt. Er war aber kein Berufskiller. Bin ich auch nicht. Ich habe noch keinen umgepustet. Wir haben oft darüber gesprochen. Wenn Sie mich fragen, kann ich nur sagen, daß
Weitere Kostenlose Bücher