Der Gerechte
den letzten Winkel des Klassenraums zu hören war, daß er einen Flammenwerfer mitgebracht hatte. »Damit stecke ich die ganze Schule an. Das wollte ich schon immer. Schon als Schüler habe ich davon geträumt, eine Schule brennen zu sehen. Heute ist es soweit. Heute brennt sie ab!«
Mein Gott, dachte Greta, mein Gott. Ich kann den Irrsinn nicht fassen. Wie lange soll das noch so gehen? Wann ist die Stunde vorbei? Wann schellt es? Ist es dann noch so wie jetzt? Oder sind wir schon alle verschmort? Himmel, gib mir Antwort! Gott, ich…
»Träumst du von einer Rettung, Frau Lehrerin?« Seine höhnische Stimme zerschlug ihre Gedanken.
Greta schwieg.
»Dann träume weiter. Es gibt keine Rettung. Nur ich werde mich freuen, wenn die Flammen ihr fauchendes Lied singen. Wenn sie ihre Macht zeigen und den Menschen beweisen, wie hilflos sie sind. Wenn ihr Fauchen das Schreien der Brennenden schluckt…«
Warum hat der Revolver nur einen so langen Lauf, dachte Greta? Was ist damit geschehen? Sie wollte sich ablenken. Sie konnte ihm nicht mehr zuhören. Sie konnte auch nicht mehr in das vom Wahnsinn verzerrte Gesicht schauen, das sich wie eine schreckliche Zeichnung inmitten des Helms abzeichnete.
Es war zuviel für sie.
Greta schüttelte den Kopf.
Im Hintergrund fing ein Mädchen an zu weinen.
»Halt’s Maul!« kreischte Fire-Johnson so schrill, daß die Kleine verstummte.
Greta riß sich zusammen und sprach sie an. Sie wußte selbst nicht, woher sie noch die Kraft nahm. »Hören Sie, Mister, ich mache Ihnen einen Vorschlag…«
»Nein!«
Er kam noch weiter vor.
Seine Augen verwandelten sich in Räder, in denen der Tod leuchtete.
»Bitte…«
Er lachte.
Dann schoß er!
Es machte ›Plopp‹ – mehr nicht. Aber er hatte getroffen. Die Lehrerin spürte den harten Schlag an ihrem Kopf. Plötzlich riß der Faden bei ihr. Ob sie das Blut noch sah, das aus der Wunde spritzte, konnte niemand sagen, sie selbst auch nicht. Vor der Tafel brach sie zusammen. Fire-Johnson aber wandte sich den Schülern zu…
***
Wir hatten den Kampf gegen den verdammten Schnee gewonnen und unter großen Mühen das Büro erreicht, wo uns nicht nur Glenda Perkins empfing, sondern auch der Duft eines frisch gekochten Kaffees. Ich hatte Glenda von unterwegs angerufen, denn Sukos Verletzung an der Stirn mußte behandelt werden. Der Verbandskasten stand bereit. Mein Freund war noch immer etwas benommen. Ich überließ ihn Glendas Obhut und ging sofort in das Büro, wo die Unterlagen lagen, die Glenda in der Zwischenzeit für mich besorgt hatte.
Fünf Tote waren bei diesem schrecklichen Unglück ums Leben gekommen.
Ich mußte die Namen wissen und würde die Angehörigen der Reihe nach anrufen und ihnen einige Fragen stellen.
Bis auf ein Ehepaar waren nur Einzelpersonen gestorben. Drei junge Männer, die gemeinsam studierten und die Ferien für einen Campingurlaub hatten nutzen wollen. Ich schaute auf die Information und erfuhr, daß das Ehepaar Almedos geheißen hatte.
Einige Zeit dachte ich über den Namen nach, ohne daß mir ein Licht aufging. Ich las ihn heute zum erstenmal.
Aus den Unterlagen ging auch hervor, wo sie gelebt hatten. In einem kleinen Ort im Süden des Landes, sicherlich sehr romantisch, aber die beiden waren trotzdem zum Campen gefahren.
Es war nicht vermerkt, ob sie noch Kinder oder andere Verwandte hatten, und deshalb wollte ich die Probe aufs Exempel machen und dort anrufen, wo sie einmal gelebt hatten.
Es wurde eine ziemliche Telefoniererei, bis ich die Rufnummer bekommen hatte, unter der früher einmal die Almedos erreichbar gewesen waren. Ich wählte und hörte eine Frauenstimme, die sich mit dem Namen Corman meldete.
Als ich mich vorstellte, hörte ich sofort das Erschrecken der Frau. Kein schlechtes Gewissen, wahrscheinlich zählte sie zu dem Personenkreis, der noch nie mit den Hütern des Gesetzes in Konflikt geraten war. »Bitte, Sir, was habe ich denn mit dem Yard zu tun?«
Durch mein Lachen versuchte ich, ihr eine innere Ruhe zu geben. »Sie bestimmt nicht, Mrs. Corman.«
»Meine Güte, das ist…«, sie holte Luft. »Wissen Sie, mein Mann und ich haben uns hier zur Ruhe gesetzt. Mein Mann ist Rentner, und wir lieben den Süden.«
»Mir geht es um etwas anderes. Haben Sie die Wohnung oder das Haus von einer Familie Almedos übernommen?«
»Ja, das haben wir. Die haben vor uns hier gewohnt. Ein sehr nettes Ehepaar. Wir kannten die beiden schon vor dem schrecklichen Unglück.« Sie seufzte schwer.
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