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Der Gerechte

Der Gerechte

Titel: Der Gerechte
Autoren: Jason Dark
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»Manchmal können wir noch immer nicht fassen, was ihnen da widerfahren ist. Ausgerechnet sie.«
    »Waren sie denn allein?«
    »Ja, sie lebten hier allein.«
    »Keine Kinder, Verwandte und…«
    »Doch«, unterbrach sie mich. »Sie hatten einen Sohn, der aber nicht mehr hier lebt.«
    »Wie hieß er denn?«
    »Raniel.«
    Ich räusperte mich. »Wie bitte?«
    Sie wiederholte den Namen und hörte, daß ich mich darüber wunderte.
    »Ja, es ist ein seltsamer Name, aber Mrs. Almedos war eine außergewöhnliche Frau. Sie liebte ausgefallene Namen, wenn sie in ihren religiösen Kram hineinpaßten.«
    »Was für einen Kram?« Ich fieberte innerlich, denn ich hatte den Eindruck, es genau richtig getroffen zu haben.
    Sie räusperte sich. »Nun ja, wie soll ich sagen? Sie waren beide sehr fromm, die Almedos.«
    »Welcher Konfession gehörten sie an?«
    »Sie waren katholisch, streng katholisch. Noch nach dem alten Muster, wenn Sie verstehen. Sie sprachen öfter von diesem Bischof, der vor kurzem starb. Lebrembre oder…«
    »Lefèvre«, sagte ich.
    »Stimmt. Dahin tendierten sie. Sehr fromme Menschen, wie gesagt. Vor allen Dingen Mrs. Almedos. Sie war eine Frau, die sich sehr für die Engel interessiert hat. Sie hat sogar geforscht, sie hat versucht, sie zu zählen, was man damals im späten Mittelalter gemacht hat. In der Kabbala.«
    »Sie wissen Bescheid.«
    »Habe ich alles von ihr erfahren.« Mrs. Cormans Stimme bekam einen traurigen Klang. »Und jetzt sind beide tot. Manchmal kann ich es noch immer nicht fassen.«
    »Da gibt es noch den Sohn«, sagte ich.
    »Stimmt.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Nun, Sir, es tut mir leid. Wir haben mit Raniel keinen Kontakt mehr. Zuletzt sahen wir ihn auf der Beerdigung seiner Eltern. Es war furchtbar. Er war erschüttert, er weinte, aber war auch noch etwas anderes bei ihm zu spüren.«
    Ich ließ die Frau reden, weil ich davon ausging, daß jedes einzelne Wort wichtig war. Zwischendurch schneuzte sie ihre Nase, um dann den Bericht fortzusetzen.
    »Raniel ging dann schnell fort und tauchte nicht mehr auf. Er hatte sowieso nicht bei seinen Eltern gewohnt.«
    Ich hatte ihren letzten Satz nicht vergessen. »Was war denn da noch an ihm zu spüren, außer Trauer?«
    »Wut, Mr. Sinclair. Ja, eine wilde, kaum kontrollierbare Wut, beinahe schon Haß.« Sie räusperte sich. »Ist ja verständlich. Haß auf den Killer seiner Eltern.«
    »Den sollte er nicht so stark spüren, wenn er christlich erzogen wurde.«
    »Im Alten Testament steht etwas anderes, Mr. Sinclair. Wie dem auch sei, das ist ja vorbei.«
    »Dann wissen Sie also nicht, wo ich Raniel Almedos eventuell sprechen kann?«
    »Nein, nicht genau.«
    Ich lächelte, obwohl die Frau es nicht sehen konnte. »Würden Sie mir denn einen Tip geben können?«
    »Hm, das ist so eine Sache. Ich weiß auch nicht, ob ich damit richtig liege. Die Almedos selbst haben darüber nicht gern gesprochen, als hätten sie Furcht davor, zuviel preiszugeben.«
    »Über was?«
    »Es geht um die Mühle.«
    Ich war erstaunt, weil ich damit nicht gerechnet hatte. »Eine Mühle?« wiederholte ich deshalb und räusperte mich. »Eine richtige alte Mühle?«
    »Eine Windmühle.«
    »Und die gehörte den Almedos?«
    »So ist es. Es kann auch sein, daß sie ihnen noch gehört, das weiß man alles nicht. Jedenfalls existiert sie noch. Es ist durchaus möglich, daß sich Raniel dorthin zurückgezogen hat.«
    »Sie ist auch bewohnbar?«
    Ich sah förmlich ihr Nicken. »Soviel mir bekannt ist, ja. Mrs. Almedos hat einmal davon gesprochen. Ich glaube sogar, daß sie das Bauwerk renoviert haben. In einer ziemlich einsamen Landschaft. Südlich von Maidstone, glaube ich.«
    »Pardon, aber geht es nicht etwas genauer?«
    »Ich überlege ja schon«, murmelte Mrs. Corman. Sie nahm sich Zeit. Zwischendurch hörte ich ihren Atem oder mal ein Klappern. Möglicherweise ein Fensterladen, der vom Wind bewegt wurde. Dann hörte ich wieder ihre Stimme. Sie klang jetzt energischer. »Sind Sie noch da, Mr. Sinclair?«
    »Sicher doch.«
    »Wenn ich mich nicht sehr irre, haben sie mal einen Ort erwähnt, der Headcorn hieß. Dort jedenfalls haben sie immer ihre Lebensmittel gekauft, wenn sie mal in der Mühle für längere Zeit waren. Mehr kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen, Mr. Sinclair. Sie haben mich ja ausgequetscht wie eine Zitrone. Und Sie sind tatsächlich von Scotland Yard?«
    »Darauf können Sie sich verlassen.«
    »Dann ist es gut.«
    »Falls Sie Zweifel hegen, rufen Sie mich
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