Der Gerechte
zurück. Ich gebe Ihnen meine Nummer.«
»Nein, nein, das nicht. Ich vertraue Ihnen. Das kann ich Ihrer Stimme entnehmen.«
»Danke sehr.« Ich war froh, diese Informationen bekommen zu haben, und sagte dies Mrs. Corman auch. Sie hielt sich ein wenig zurück, wußte nicht so recht, wie sie mir antworten sollte, wünschte dann aber viel Glück.
»Das werden wir auch brauchen.«
Bestimmt hätte sie gern gewußt, um was es im einzelnen ging, aber ich hielt mich zurück. Der Fall war kompliziert genug, und er würde auch nicht einfacher werden, wie ich annahm.
Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen, weil ich nachdenken wollte. Das Erfahrene mußte ich erst verarbeiten und in die richtigen Kanäle leiten.
Raniel also!
War er der Gerechte? Dann hatten wir Glück gehabt und liefen auf der richtigen Schiene.
Andererseits – was sprach eigentlich dagegen? Gar nichts. Wir würden der Mühle einen Besuch abstatten. Als hätte die Natur meinen Entschluß gehört, um mich dann zu unterstützen, hatte es aufgehört zu schneien. Der Himmel wirkte wie blankgefegt. Er zeigte ein herrliches winterliches Blau.
Raniel…
Ein Name, der irgendwo paßte. Von dem gleichzeitig auch etwas Engelhaftes oder Ätherisches ausging. War er möglicherweise ein rächender Engel, ein Rachegott?
Etwas stimmte nicht in meinen Überlegungen, und ich wußte auch schon was. Ich hatte mit Mrs. Corman über den Menschen Raniel gesprochen, aber von Stanley Nessé wußten wir, daß Goldblatt von einem Geist getötet worden war.
War Raniel ein Geist oder ein Mensch?
Oder beides?
Ich runzelte die Stirn. Es war nicht einfach für mich, mir diese Doppelexistenz vorzustellen. Auf der einen Seite ein Mensch, auf der anderen ein feinstoffliches Wesen.
Engel waren feinstoffliche Wesen. Da hatte ich selbst meine Erfahrungen mit den vier Erzengeln sammeln können. Wenn ich sie doch nur hätte so einfach fragen können.
Das war leider nicht möglich.
Ich schluckte meine Bitternis runter und dachte auch nicht daran, mir jetzt noch große Gedanken zu machen. Wichtig war die Mühle. Dorthin mußten wir, und wenn wir uns beeilten, konnten wir zu Beginn der Dämmerung das Ziel erreicht haben.
Ich ging zurück ins Vorzimmer, wo Suko auf einem Stuhl saß und noch leicht angeschlagen wirkte. »In Superform bist du auch nicht gerade – oder?«
»Kann man nicht unbedingt behaupten.«
»Du hast ja lange telefoniert«, meinte Glenda.
»War auch sehr wichtig.«
Suko drehte den Kopf. Zu schnell, denn er verzog das Gesicht. Auf seiner Stirn klebte ein dickes Pflaster. »Hast du denn wenigstens etwas herausgefunden?«
»Ich glaube, daß ich die Lösung weiß!«
Beide schwiegen und starrten mich an, wie ich lässig am Türpfosten stand.
»Ehrlich, John?«
Ich nickte Suko zu. »Eine Frage erst einmal. Fühlst du dich in der Lage, eine etwas längere Autofahrt anzutreten? Mit mir zusammen, meine ich.«
»Wenn du fährst, immer.«
»Das ist ein Wort.«
Ich hatte meine Tasse im Büro zurückgelassen, nahm eine frische und schenkte die braune Brühe ein. Dann berichtete ich von meinem Gespräch mit Mrs. Corman.
Es blieb Glenda und Suko nichts anderes übrig, als zu staunen. Das war für sie völliges Neuland. Selbst ich hatte meine Überraschung noch nicht überwunden.
Als ich in die Kaffeetasse schaute, stieß Suko die Luft durch den rechten Mundwinkel aus und produzierte dabei ein leises Pfeifen. »Das ist wirklich ein Ding«, sagte er. »Wer hätte damit gerechnet, daß dieser Raniel der Gerechte ist?«
»Augenblick«, wandte ich ein. »Noch haben wir nicht den Beweis. Es ist nur eine Annahme.«
»Hör auf, John. Es wird schon alles so hinkommen, wie du es dir gedacht hast.«
Ich hob die Schultern und überlegte, ob ich sicherheitshalber noch die Personen auf meiner Liste anrufen sollte. Nein, ich wollte mich auf Mrs. Cormans Aussagen verlassen und würde mir zusammen mit Suko die Mühle genauer anschauen. Wenn sie so einsam stand, eignete sie sich auch hervorragend als Versteck.
Glenda schnitt mit ihrer Frage ein Problem an, mit dem ich mich bisher noch nicht beschäftigt hatte. Sie saß dabei auf dem Stuhl, hatte die Beine übereinandergeschlagen, so daß sich die Leggins noch mehr strafften und wie eine zweite Haut saßen. Sie sah sexy aus. »Ich habe ja noch nicht sehr viel über diesen Raniel in Erfahrung bringen können, aber ich möchte dich einmal fragen, John, wie du eigentlich zu ihm stehst? Wie siehst du ihn?«
Ich hob die Schultern.
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