Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Geruch von Blut Thriller

Titel: Der Geruch von Blut Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
Vom Netzwerk:
irgendetwas. Wenn er versucht, es sich vorzustellen, sieht er nur sich selbst, so wie er früher war. Der Mann, der er einmal war, wimmert regelmäßig im Traum, er will zurück ins Leben.
    Das Geräusch führt ihn vorbei an kratzenden Ahornästen. Er streckt die Hand aus, um sich festzuhalten, stolpert über eine Wurzel und knallt mit der Wade gegen den nächsten Grabstein.
    Er fährt mit der Hand über die kalte Oberfläche, taucht einen Finger in den Schnee, wischt ihn weg und tastet den eingemeißelten Namen ab.
    KELTON MOON, 2 MONATE ALT, DU LIEBES KIND, MÖGE DAS LICHT DES HEILANDS DICH IN DIE EWIGKEIT FÜHREN. 1863, GELBFIEBER.
    Die Toten helfen ihm, sich zu orientieren.
    Er weiß genau, wo er jetzt ist.
    Das Bedürfnis zu reden steigt in ihm auf, aber er hat Angst, dass ihm seine eigene Stimme antwortet. Er geht weiter, und als er mit dem Zeh gegen etwas stößt, weiß er sofort, dass es eine Leiche ist.
    Mein Gott. Finn bückt sich, hockt sich hin, legt beide Hände auf den Körper. Es ist ein Mädchen. Der Wind dreht sich und bläst ihm Eis gegen die Lippen.
    Sie blutet. Der Geruch durchströmt ihn und pumpt Farbe in seinen Schädel. Finn zittert. Sein Kopf kippt nach hinten. »Ah …« Er kann nicht anders, als wie ein Idiot zu grinsen.
    Die Vergangenheit umfängt ihn, streichelt ihn und zwingt ihn in die Knie.

A ls er Danielle zum ersten Mal sieht, sind Ray und er in der Turnhalle und werfen Körbe, es steht achtzehn zu sechzehn. Sie studieren beide im zweiten Jahr Strafjustiz und englische Literatur, und warten darauf, an der New Yorker Polizeiakademie aufgenommen zu werden.
    Dani kommt mit einem stiernackigen Rambo vom Footballfeld, der regelmäßig in der Zeitung steht, weil sein Großvater Profispieler war. Er selbst hat auf dem Platz bisher nicht viel geleistet.
    Finn dribbelt weiter, greift aber nicht an, stattdessen beobachtet er über Rays Schulter, wie sie ans andere Ende der Halle läuft. Sie trägt enge Shorts und ein hellgelbes verschwitztes T-Shirt, unter dem sich der Sport-BH deutlich abzeichnet. Was für ein Mädchen. Das blonde Haar hat sie mit einem roten Band zum Pferdeschwanz gebunden, der bei jedem Schritt wippt. Sie trinkt aus einer Plastikflasche, die sie sich mit dem Stiernacken teilt. Sie hat ein paar Runden um den Platz gedreht, während er mit dem Trainer Extraeinheiten absolviert hat.
    Ray versucht, Finn den Ball aus der Hand zu schlagen, und Finn lässt ihn gewähren. Ray spielt den Ball zweimal zwischen den Beinen durch, geht dann an ihm vorbei, wirft ihn mit links gegen die Rückwand und schaut zu, wie er im Korb landet.
    Ray kommt zurück, sieht Finns Blick und dreht sich um.
    »Hey, hey …«
    »Du sagst es.«
    »Nicht schlecht, der Pferdeschwanz.«
    »Tja.«
    »Das steht nicht jeder.«
    »Nein.«
    »Da denkt man doch gleich, ein nettes Gespräch, eine halbe Flasche guter Wein, ein leckeres vegetarisches Abendessen, schneebedeckte Berge hinter dem Hüttenfenster, und dann zieht sie am Haarband wie an einer Reißleine, die wilde Mähne fällt herunter, und die wahre Frau kommt zum Vorschein.«
    Er hasst es, wenn Ray dasselbe denkt wie er. »Genau.«
    »Leider scheint sie einen bedauernswert schlechten Männergeschmack zu haben.«
    »Leben heißt lernen.«
    »Was soll das denn heißen?«
    Der Stiernacken ist genau wie alle anderen. Er gibt gern mit Dani an, kann es aber nicht ausstehen, wenn die Männer sie anstarren. Er bleibt stehen und wirft ihnen einen tödlichen Blick zu. Ray lächelt, liebenswürdig und charmant wie immer. Finn kann die Augen nicht von Dani lassen.
    Sie ist nicht unbedingt schön, aber unglaublich süß, und hat das gewisse Etwas, das ihn tief berührt und das er nicht benennen kann. Vielleicht hat es mit Selbstvertrauen, innerer Stärke und Sinnlichkeit zu tun, mit allem zusammen oder nichts davon, er kann es immer noch nicht sagen. Er weiß nur, dass ihn bisher wenige Frauen so aufgerüttelt haben.
    Dann begegnen sich ihre Blicke, und sie nickt ihm kurz zu. Ihr Pferdeschwanz wippt. Auch das gefällt ihm.
Ihre Waden sind klar definiert. Sie ist eine Läuferin, eine Sprinterin, Kapitän der Leichtathletikmannschaft. Für ihren zierlichen Körper hat sie ziemlich große Brüste. Er stellt sich vor, wie es wäre, nach der Flasche Wein und dem vegetarischen Essen mit ihr ins Bett zu gehen. Die Linie ihrer Wangenknochen und ihr langer weicher Hals sind wunderschön.
    Sie stehen ein ganzes Stück voneinander entfernt, vielleicht zwanzig Meter, aber Finn

Weitere Kostenlose Bücher