Der Geruch von Blut Thriller
paarmal die Positionen auf der Bühne. Die Polizei-Paparazzi rufen Namen, damit du hierhin, dahin, sonst wohin guckst. Du landest zwischen Dani und Ray. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, als würdest du zwischen ein Liebespaar treten. Du denkst darüber nach, wie engagiert du wirklich bist.
Du lässt deinen Blick durch die Menge wandern und entdeckst kein einziges bekanntes Gesicht. Später verschwindet Ray von der Bühne, aber du weißt, dass er noch irgendwo im Raum ist. Du musst ihn nicht sehen, um zu wissen, dass er da ist, dass er immer da sein wird.
Die Reporter fragen dich, warum du ein solches Risiko eingegangen bist, und dir fällt keine Antwort darauf ein. Du stolperst über die Worte, halbherzige Klischees wie Es ist mein Job, Unschuldige zu beschützen kommen
über deine Lippen. Der Raum verfällt in Schweigen, bis dein Lieutenant vortritt und übernimmt. Er ist gut, er ist redegewandt. Er genießt das Scheinwerferlicht.
Die Reporter fressen ihm aus der Hand. Ausnahmslos überarbeiten sie deine wenigen Äußerungen, um dich eindrucksvoller klingen zu lassen.
Aber Ray zieht dich die nächsten zehn Jahre mit diesem Satz auf, bringt ihn immer wieder, manchmal im Abstand von achtzehn Monaten, manchmal dreimal in einer Woche.
Aber immer im schlechtesten Augenblick.
Wenn du neben einer Mutter kniest, die auf Crystal Meth ist und ihr Baby verhungern lassen hat. Wenn du einem jungen Mädchen Handschellen anlegst, weil sie auf ihren eigenen Bruder eingestochen hat, aus Gründen, die man sich denken kann. Während einer Geiselnahme, wenn du mit fünfzig Mann draußen vor der Tür stehst und mit anhörst, wie drinnen die Leute zusammenbrechen.
Es ist mein Job, Unschuldige zu beschützen.
Sie lassen dich zufrieden, außer Ray. Ray hält dir deinen Tritt in seinen Arsch bis ans Ende vor.
Jetzt, nach all den Jahren, verspürst du nur noch selten den Drang, dein Herz auszuschütten, jedenfalls nicht im Gespräch. Aber hin und wieder, wenn Murphy im Laufe des Abends besonderes Interesse zeigt, und der Jameson geschmeidig die Kehle runterläuft, lässt du dich plötzlich darüber aus, wie es ist, Polizist zu sein. Du hast seit deiner Kindheit nicht mehr geweint, aber manchmal versagt dir dabei die Stimme. Murphy hört aufmerksam zu, lacht leise und sagt: Oh, na, das ist ja wirklich eine Spitzenstory.
F inn zieht sich in sein Büro zurück, er ist nervös. Ein ungutes Gefühl macht ihm zu schaffen. Er fühlt sich genauso wie damals in der Stadt, als er immer mit dem Schlimmsten rechnete und das Gefühl genoss, dem Herzinfarkt nahe zu sein. Er kann Harley Moons Worte nicht vergessen.
Um Gottes willen, nein, wollen Sie sterben?
Es klopft leise an der Tür. Sein erster Gedanke: Vielleicht kommt es jetzt, vielleicht ist es das, was mich endlich vom Dach stößt.
»Mr. Finn?«
Es ist Vi.
Er hat auf diesen Moment gewartet, sich vor ihm gefürchtet und von ihm geträumt. Wenn sie allein sind, wenn er seiner Schwäche ins Auge sieht. Und sich noch einmal auf die Probe stellen kann.
Seine Stimme ist harsch und eisern. Anders als er sich fühlt. »Du solltest nicht hier sein, Violet.«
Seit Beginn des Semesters muss er sich von Vi fernhalten. Zu seinem eigenen, ihrem und dem Wohl der Schule. Sie kann ihm nicht mehr helfen, Aufsätze zu korrigieren, kann nicht mehr mit ihm über Baudelaire oder Twain diskutieren. Er kann ihr kein Berater und kein Freund mehr sein. Eigentlich kann er nicht mal mehr ihr Lehrer sein. Und es ist seine Schuld.
»Ich finde, wir sollten reden«, sagt sie.
»Wir haben schon geredet, Vi. Wir haben genug geredet.
Alles, was gesagt werden musste, wurde gesagt. Jetzt musst du gehen.«
Wenn er wirklich Eier hätte, würde er sich hinstellen und sie mit Miss Treato anreden. Ein bisschen blaublütige Hochnäsigkeit an den Tag legen, so wie sie es wahrscheinlich von ihren anderen Lehrern gewöhnt ist. Er hatte am College einen Professor, aus dessen Mund »Mis-tah Finn« klang, als würde man von einem Stiefel die Scheiße abkratzen.
Es ging nicht darum, gemein zu sein, nur distanziert. Kurz angebunden, abweisend, unnahbar. Sein Magen verknotet sich. Er dreht den Kopf weg, ihr Blick allein reicht aus, um ihn erröten zu lassen. Er stellt sich vor, Ray könnte ihn so sehen. Oder Dani.
Du weißt nie, was es ist. Was dir unter die Haut geht und sich tief hineingräbt. Was dich entflammt. Wer sich in der Nacht zu dir legt und weint, wonach du im Bett verlangst. Finn hat rechtschaffene Männer wegen
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