Der Geruch von Blut Thriller
dem geflickten Schädel, da fühlt er sich ungefähr wie als Polizist. In seinem Bauch fallen zwei kleine Teufelchen übereinander her, und einer von ihnen zieht gerade den Kürzeren.
Ihr Kleid raschelt, als sie sich von ihm abwendet. Schon jetzt vermisst er ihre Berührung.
»Draußen ist jemand«, sagt Vi.
TEIL 2
Die Linse
F inn geht zum Fenster, als könne er rausgucken. - »Wer?«, fragt er.
»Ich weiß nicht«, sagt Vi. »Irgendein Mädchen. Sie steht im Schnee.«
»Was macht sie?«
»Sie steht einfach nur da.«
»Mehr nicht?«
»Nein. Sie ist ziemlich weit weg. Sie sieht verloren aus, als wüsste sie nicht, wohin. Ob sie herkommen soll oder nicht. Wussten Sie, dass die Leute aus dem Tal die Schule immer noch Hotel nennen? Sie muss doch frieren. Der Sturm wird immer schlimmer. Und die Sonne geht unter. Ich kann sie kaum noch sehen.« Vi dreht sich um und blickt ihm ins Gesicht. Ihr Atem riecht nach Zahnpasta.
Er versucht, sich nichts anmerken zu lassen, aber das da draußen kann nur Harley Moon sein, die stundenlang durch die Kälte gelaufen ist und sich nicht getraut hat, näher zu kommen.
»Sie kennen sie, oder?«, sagt Vi. Es ist keine Frage.
»Nein.«
Ein flüchtiger Gedanke befällt Finn. Ist Harley eins von Murphys jungen Dingern? War sie deswegen beunruhigt und wollte nicht, dass er jemanden ruft? Um ihn zu schützen? Ist Murphy der mit dem bösen Willen? Kein abwegiger Gedanke.
Finn reißt das Fenster auf. Der Schnee fegt ihm ins Gesicht. Es fühlt sich gut an, die beißende Kälte auf der
glühenden Haut zu spüren, die groben Flocken, die Vis Berührung wegpusten.
»Spricht sie mit Murphy?«, fragt er.
»Nein. Murphy ist nicht bei ihr. Warum sollte sie mit ihm sprechen?«
»Sieht sie aus, als sei sie verletzt?«
»Nein, ich glaube nicht. Also, jedenfalls schwankt sie nicht oder so. Warum fragen Sie? Wer hat sie verletzt?«
Als er sich auf die Fensterbank stützt, schlingt sie einen Arm um seine Taille und zieht ihn zu sich heran. Eine eifersüchtige, besitzergreifende Geste. Das muss aufhören.
Doch bevor Finn sich losschütteln kann, lässt sie von ihm ab. Ihr Timing ist perfekt. Es ist ein Tanz am Rande seiner Grenzen. Sie weiß mehr über Männer als die meisten Frauen, die doppelt so alt sind wie sie. Wen gab es wohl vor dem Jungen in Griechenland? Und was zum Teufel muss er tun, um sie loszuwerden?
»Wer ist sie?«, fragt Vi.
»Irgendein Mädchen aus dem Tal.«
»Vögeln Sie sie?«
Er richtet sich auf. Sein Kiefer ist angespannt. Der Groll in ihrer Stimme macht sie fast hässlich, und genau das braucht er jetzt. Ihr schroffer Tonfall hilft ihm, zu sich zu kommen. Schwere Schneeflocken legen sich in seinen Nacken. Seine Lippen werden kühler. Sie verlagert ihr Gewicht.
Mit der Geschwindigkeit einer Schlange packt Finn Vi am Handgelenk, fest genug, damit sie vor Schreck nach Luft schnappt, aber nicht so, dass es wehtut.
Diesmal treibt ihn nicht die Lust. Er nimmt die Brille ab und starrt sie an.
»So redest du nie wieder mit mir, damit das klar ist«, sagt er, eiskalt, aber unmissverständlich. So klingt kein Lehrer.
Sie zuckt zusammen. Seine Behinderung spielt plötzlich keine Rolle mehr. Sie will ihn nicht mehr bemuttern. Er ist nicht mehr der süße Blinde, mit dem sie machen kann, was sie will. Sein Blick war immer intensiv und ist es jetzt erst recht.
Er lässt sie los, setzt die Brille wieder auf und holt seinen Mantel. »Bring mich zu ihr.«
»Was? Warum?«
»Es könnte wichtig sein.«
»Warum sollte es das?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Sie sind sich nicht sicher? Reden Sie mit mir. Sie können mir vertrauen. Was ist los?«
Das ist eine gute Frage, eine, die er nicht beantworten kann. Die Art, wie Harley Moon mit ihm gesprochen hat, dieser dramatische, unheilvolle Tonfall, hat etwas in ihm losgetreten, das nicht mehr weggeht. Er muss wissen, warum sie hier ist, von wem sie geredet hat, und woher sie von der Metallplatte in seinem Kopf weiß. Nur wenige wissen davon. Seine Freunde, seine Vertrauten. Roz, Judith, Murphy, Duchess, ein paar von den Lehrern. Warum sollte jemand von ihnen mit einem Mädchen aus dem Tal über ihn reden?
Wie jede andere Frau auch erträgt Vi es nicht, ignoriert zu werden, sie will seine Aufmerksamkeit. »Bitte sagen Sie es mir.«
»Violet, hör auf, mir Fragen zu stellen.«
»Dann beantworten Sie mir wenigstens ein paar davon.« Sie klingt wie eine Staatsanwaltsgehilfin, die versucht, ihn in die Mangel zu nehmen.
»Lass
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