Der Geruch von Blut Thriller
eines verbrannten Bratens zu Axtmördern werden sehen. Er hat Millionäre in Crackhöhlen den Fußboden lecken sehen. Er hat mehr als einen Priester verhaftet und wurde fast von einer Nonne erwürgt. Er hat Collegekids erlebt, die wegen einer Eins minus Selbstmord begingen. Er wurde der Frau eines Politikers vorgestellt, die, wie sich später herausstellte, in ihrer Freizeit als Callgirl arbeitete. Es war ein offenes Geheimnis. Niemand sagte etwas. Finn war ziemlich sicher, dass sein Lieutenant bei ihr gewesen war. Niemand hat sich wirklich unter Kontrolle.
Die Luft bewegt sich. Sie kommt näher. Finn senkt das Kinn auf die Brust. Sie tritt noch einen Schritt vor, ihre Absätze schleifen über die Kacheln. Er denkt das, was
alle Männer denken, stellt sich Szenarien vor, die niemals sein dürfen.
Das Mädchen will eine Frau sein. Für ihn wird sie zur Frau. Das ist eine starke Droge. Ihr Atem berührt seinen Hals, er brennt auf seiner Haut.
»Finn, Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagt sie und lässt das »Mister« weg. Sie versucht, ein wenig wie Roz zu klingen. »Ich werde Ihnen keine Probleme machen. Ich will nicht, dass Sie Ihren Job verlieren. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Das ist alles, was ich will. Wirklich. Ich hoffe, dass Sie mir vertrauen.«
Sein Gesicht ist so ausdruckslos wie nur möglich. »Damit hilfst du mir nicht, Vi, und das willst du auch nicht. Du solltest es jedenfalls nicht wollen.«
»Aber ich …«
»Du musst jetzt gehen.«
»Können wir nicht einfach nur ein bisschen reden? Wir waren doch Freunde, oder nicht?«
»Nein.«
»Nein?«
»Nein.«
»Wir waren keine Freunde?«
»Nein, ich bin dein Lehrer und mehr nicht.«
»Es ist doch nichts Verkehrtes daran, wenn wir sagen, dass wir Freunde sind. Absolut nichts.«
»Bitte komm außerhalb meiner Bürozeiten nicht wieder.«
Er redet wie der letzte Idiot. Er redet wie all die Idioten, die er je getroffen hat und denen er die Fresse polieren wollte. Das widert ihn fast genauso an wie die fieberhaften Bilder, die die Dunkelheit ausfüllen und ihn erregen. Er ist kein bisschen besser als der Bratenmörder.
Nicht eine verdammte Minute lang kann er sich beherrschen. Er ist durch den Test gefallen, mit vollem Karacho.
»Ich verstehe Sie, Mr. Finn«, sagt sie, jetzt wieder mit »Mister«. Aber es klingt leicht amüsiert, wie eine Art Vorspiel. Vielleicht sieht sie das so. »Wirklich … Aber wissen Sie, was an jenem Tag geschehen ist, das war … es war …«
Idiotisch? Dämlich? Widerlich? Verrückt?
»… das war keine große Sache.«
Sie ist so jung, dass sie tatsächlich glaubt, was sie sagt. »Doch, das war es, und das musst du begreifen.«
»Es hat mir viel bedeutet, aber ich weiß, dass es falsch von mir war. Ich bin zu weit gegangen. Es war ungestüm von mir.«
Ungestüm. Gutes Wort. Wenigstens hat er ihr etwas beigebracht.
»Vi …«
»Aber Sie haben nichts Unrechtes getan. Es war meine Schuld, und ich möchte mich einfach bei Ihnen dafür entschuldigen.«
Was soll man dazu sagen?
Herrgott nochmal. Finn schüttelt den Kopf. »Violet …« Er kann ihren Namen aussprechen, aber mehr kommt nicht. Wie halbherzig. Er versucht es nochmal. Vielleicht sollte er Klartext mit ihr reden.
»Du hättest mit deinen Eltern wegfahren und ein bisschen was von der Welt sehen sollen. Du hättest nicht dableiben dürfen. Du hast hier nichts verloren. Das hier ist nur ein Boxenstopp auf deinem Weg ganz nach oben. Du hast noch so viel vor dir. Konzentrier dich darauf.«
So etwas würde ein alter Mann sagen. Ein Großvater, ein arthritischer Onkel, jemand, der nichts mit dem Thema
zu tun hat, so dass alle einfach nicken, wenn er redet. Nicken und sofort an seinen faltigen Arsch denken.
»Darüber brauche ich mir keine Gedanken zu machen«, sagt sie. »Ich weiß schon, was mich erwartet. Meine Eltern haben es mir erklärt. Ich werde einen reichen Arzt heiraten. Sie kennen da jemanden. Er heißt Mark Reynolds. Sein Vater macht mit meinem Vater Geschäfte. Seine Eltern sind gerade mit meinen in Griechenland. Er ist auch da. Ich bin ihm nur zweimal begegnet. Wir haben beide Male gevögelt. Es war gut, aber nicht sehr gut. Wir haben weder vorher noch nachher viel geredet. Wir hingen zusammen am Strand ab. Wir haben viel getrunken. Wir haben die Akropolis besucht. Meine Mutter hat mich gefragt, ob ich mit ihm gevögelt habe. Es war ihr wichtig, dass ich ihn nicht verärgere und die Unnahbare spiele. So denkt sie. Und so denkt auch mein Vater.
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