Der Geruch von Blut Thriller
Vielleicht denken alle so, ich weiß es nicht. Sie wollen das Familienvermögen verdoppeln. Mark weiß jetzt schon, wie seine Kinder heißen sollen. Seine, nicht unsere. Eleanor und Kenneth. Das habe ich vor mir. Aber ich bin ich. Ich will etwas anderes machen und jemand anderes sein.« Sie hält inne, holt tief Luft, befeuchtet sich die Lippen. »Wissen Sie, was er mit den Kondomen gemacht hat? Er hat sie zusammengeknotet und hinters Bett geworfen. Damit die Putzfrau sie wegräumt.«
Das ist ziemlich starker Tobak, und irgendwie fühlt er sich geschmeichelt.
Sie spricht das Wort »vögeln« so aus, wie Männer es gern hören.
»Ich bin mutig und stark genug, meinen eigenen Weg zu gehen.« Vi klingt entschlossen, und sehr jung. »Das
haben Sie mir beigebracht, ich weiß nicht, ob Ihnen das klar ist.«
Wenn Finn etwas klar ist, dann, dass er ihr das bestimmt nicht beigebracht hat. Er war einfach da, während sie herangereift und von allein darauf gekommen ist. Vielleicht hat in geringem Maße die Literatur dazu beigetragen, die er im Unterricht behandelt hat. Aber wenn die eigene Mutter wissen will, ob man in Griechenland mit irgendwelchen Jungs rumvögelt, fällt es ihm schwer zu glauben, dass Flannery O’Connor oder Albert Camus das Erwachsenwerden beschleunigen. Er fühlt sich überflüssiger denn je.
»Etwas würde ich gern wissen«, sagt sie. »In Ordnung«, sagt Finn, und er weiß, dass, egal, was jetzt kommt, er ihr nicht die Wahrheit sagen wird.
»Lieben Sie Schwester Martell?«
»Ja«, sagt er.
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Das musst du auch nicht. Violet, es ist Zeit für dich zu gehen.« Er kann sich nur wiederholen. »Ich will nicht, dass du während der Ferienzeit noch einmal hierherkommst. Und während des Semesters hältst du dich an die regulären Bürozeiten. Du tauchst nicht mehr vor meinem Cottage auf. Sonst kann es nämlich gut sein, dass du von der Schule fliegst und ich gebeten oder gezwungen werde zu kündigen.«
»Oder Sie landen im Gefängnis«, sagt sie und klingt dabei so abgeklärt, dass ihn ein wohliges Verlangen erfüllt.
»Genau.«
»Sie mögen meine Stimme, oder?«
Bevor er sich unter Kontrolle hat, antwortet er: »Ja.«
»Sie begehren mich noch, oder?«
Sie streckt die Hand aus und berührt die Narben an seinem Haaransatz. Sie schiebt eine Locke beiseite, um sie besser sehen zu können. Danielle strich ihm immer das Haar nach hinten, um ihm in die Augen zu sehen. Vis Finger sind kräftig. Sie ist in der Schwimmmannschaft und bei den Turnern.
Ihre warme Berührung reicht aus, damit er die Augen schließt, den Mund hält und zu träumen beginnt. Ein Überbleibsel aus der Zeit vor dem Vorfall. Die Dunkelheit unter den Augenlidern ist anders als die, wenn er die Augen geöffnet hat.
»Stopp«, zischt er und tritt einen Schritt zurück.
Sie folgt ihm, stellt sich auf die Zehenspitzen und drückt ihn mit dem Rücken gegen das Fenster. Vielleicht sollte er rausspringen.
»Ich kann Sie trösten«, erklärt sie ihm.
»Nein, das kannst du nicht.«
»Ich kann etwas für Sie tun.«
»Das sollst du aber nicht.«
»Es wird sich bestimmt gut anfühlen.«
»Ich habe Stopp gesagt.«
»Ich verspreche es, Sie werden es nicht bereuen. Ich kann Ihnen den Schmerz nehmen.«
»Nein, glaub mir, das kannst du nicht.«
»Ich will Sie.«
»Schlag dir das aus dem Kopf.«
»Wenn Sie mich nur ließen …«
»Das ist genug, Violet.«
Es ist mehr als genug, und doch nicht genug. Er stellt sich vor, wie sie dem Jungen in Griechenland in die Augen sieht, nachdem sie Liebe gemacht haben, und er
das Kondom zuknotet. Wie ihre Mutter mit seiner Mutter bespricht, wie die Hochzeit aussehen soll, auf welche Universitäten Eleanor und Kenneth gehen sollen.
»Haben Sie keine Angst, Finn.«
Er wüsste zwanzig Möglichkeiten, sie loszuwerden, aber sie tun alle weh.
Das hier wird nur auf eines hinauslaufen. Anrufe von Mr. Treatos Anwälten. Eine Anzeige, Schlagzeilen in allen Zeitungen. Er stellt sich vor, wie es ist, als blinder Exbulle, der eine Minderjährige vergewaltigt hat, im Knast zu sitzen. Es lohnt sich, Nein zu sagen. Ganz bestimmt. Das sind Finns Gedanken, als Vis Hände über seine Narben wandern und nach der Metallplatte über dem Loch in seinem Schädel tasten. Ihre Finger passen in die tieferen Furchen. Seine Kopfhaut zieht sich zusammen, kalter Schweiß tritt ihm auf die Stirn.
Als blinder Lehrer an einer Mädchenschule in den Weihnachtsferien, die Hand einer Schülerin auf
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