Der Gesandte der Götter (German Edition)
sein.“
„Aber ich muss seine Schulter sehen!“ drängte Soradan. „Es ist sehr wichtig – auch für ihn!“
„Wenn Ihr darauf besteht, Majestät, dann werde ich versuchen, Eurem Wunsch nachzukommen, ohne dass dem Kranken Schaden zugefügt wird“, beugte sich der Arzt unwillig dem Befehl des Königs.
Behutsam drehte er Chiron auf die Seite. Der Verwundete stöhnte auf, und ein vorwurfsvoller Blick aus den Augen des Arztes traf Soradan. Doch dann wandelte sich sein Blick in Erstaunen, und auch Soradan stieß einen Laut der Überraschung aus. Auf Chirons linker Schulter befand sich ein Mal: eine Rose, dunkelrot eingebrannt in die Haut, mit durch das Wachstum verwischten Rändern, dennoch klar und deutlich zu erkennen.
„Er ist es tatsächlich!“ rief Soradan aus. „Dieses Mal tragen nur die Prinzen von Varannia. Dieser Mann ist König Chiron!“
Obwohl sie schon vorher von Chirons Aufrichtigkeit überzeugt gewesen war, atmete Loara erleichtert auf. Nun wusste sie genau, dass er sie nicht belogen hatte. Hätte er ihr das Zeichen doch nur eher gezeigt! Doch dann gestand sich ein, dass sie ihm auch dann zunächst keinen Glauben geschenkt hätte, da sie nichts von der Bedeutung der Rose gewusst hatte.
Bei den Worten des Königs hatte sich großes Erstaunen unter den Umstehenden ausgebreitet, denn alle wussten, dass Chiron für tot gehalten worden war. Vorsichtig bettete der Arzt Chiron wieder auf den Rücken. Da schlug er die Augen auf und schaute verwundert um sich.
„Wo bin ich?“ fragte er mit kaum hörbarer Stimme.
„In meinem Zelt, edler Chiron“, antwortete Soradan. „Ich bin Soradan, der Vater der Prinzessin Loara, die Ihr aus den Händen des Schurken Menas befreit habt. Und daher werde ich alles tun, um Euch zu Eurem Recht zu verhelfen. Doch zunächst müsst Ihr wieder gesund werden. Macht Euch um nichts mehr Sorgen, denn Ihr seid bei mir sicher! Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet, denn ich wage nicht, mir auszumalen, was Loara in der Gewalt des Bösewichts Menas vielleicht erwartet hätte.“
Ungläubig blickte Chiron Loara an und fragte: „Ihr habt Eurem Vater nicht …?“
„Ihr dürft nicht so viel sprechen!“ unterbrach ihn Loara schnell. „Es könnte Euch schaden.“
„Ja, die Prinzessin hat Recht, Herr“, stimmte der Arzt zu. „Ihr solltet jetzt besser schlafen, damit Ihr zu Kräften kommt.“
„Was ist mit Ordin, meinem treuen Diener?“ fragte Chiron.
„Es geht ihm gut“, beruhigte ihn der Arzt. „Er hat nur eine große Beule und ist noch etwas schwach. Aber er sollte bald wieder auf den Beinen sein.“
„Das ist gut!“ flüsterte Chiron und schloss die Augen. „Er war der Einzige, der zu mir gestanden hat.“
Leise verließen alle das Zelt, auch der Arzt, um Chiron Ruhe zu gönnen. Als sie gegangen waren, öffnete Chiron wieder die Augen. Er fragte sich, warum Loara ihrem Vater nicht erzählt hatte, was er an ihr verbrochen hatte. Hatte sie sich vor ihrem Vater geschämt? Oder was sonst konnte der Grund für ihr Schweigen sein? Warum wollte sie nicht, dass ihr Vater ihn für seine Tat zur Rechenschaft zog? Während er sich noch den Kopf über ihr für ihn unerklärliches Verhalten zerbrach, schlief er wieder ein.
Soradan und Loara gingen zurück in das große Zelt. „Vater, ich habe Angst um Leoris“, sagte das Mädchen. „Wenn Menas zum Schloss zurückkehrt, wird er außer sich vor Wut sein, dass er Chiron und mich nicht hatte fangen können. Er wird es an Leoris auslassen, und ich befürchte das Schlimmste, seit ich weiß, wie Menas wirklich ist. Und diese Schlange Xoras ist noch weit gefährlicher! Er muss viel Macht besitzen, denn wie hätte Menas uns sonst finden können?“
„Er wird es nicht wagen, meinen Sohn anzutasten!“ fuhr Soradan auf.
„Er hat auch gewagt, deine Tochter gegen ihren Willen festhalten zu wollen“, widersprach Loara. „Menas schreckt vor nichts zurück, wenn es gilt, seine dunklen Pläne zu verwirklichen. Ich habe dir ja erzählt, was er mit Chiron und Darona gemacht hat. Ich kann nicht mehr begreifen, dass ich mich einmal zu ihm hingezogen gefühlt habe!“
Soradan rief eine der Wachen, die vor dem Zelt standen. „Ein Bote soll zurück in unser Land reiten!“ befahl er dem Mann. „Die Königin soll dafür sorgen, dass unsere besten Männer zu den Waffen gerufen werden. Es kann sein, dass es Krieg gibt mit Varannia. Wenn ich zurück bin,
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