Der Gesandte der Götter (German Edition)
hindurch und der konnte sich kaum noch im Sattel halten. Mühsam glitt er vom Pferd und lehnte sich schwer gegen das Tier. Loara lief den Reitern entgegen.
„Vater! Vater!“ rief sie.
Der hoch gewachsene Mann an der Spitze des Zugs sprang aus dem Sattel und fing sie in den Armen auf.
„Loara!“ staunte er. „Wie kommst du hierher, und was war das für ein Kampf? Warum bist du nicht bei Menas, deinem Bräutigam?“
„Das war Menas, mit dem wir gerade kämpften und … Ach, Vater, alles ist so schrecklich!“ Sie barg ihren Kopf an Soradans Brust und brach in heftiges Schluchzen aus.
„Nun beruhige dich, Kind!“ beschwichtigte Soradan sie. „Ich bin ja bei dir, und nun bist du in Sicherheit. Doch ich sehe, dass deine Begleiter verletzt sind. Wir müssen ihnen helfen.“
Entsetzt sah Loara sich um, denn sie hatte nicht gesehen, dass Chiron verwundet worden war. In diesem Augenblick brach Chiron neben seinem Pferd zusammen.
„Chiron!“ schrie Loara auf. Sie lief zu ihm hin und kniete bei ihm nieder. Chiron war bewusstlos, und das Blut rann unaufhörlich aus seiner Wunde.
„Vater, bitte hilf ihm! Er verblutet!“ bat Loara angstvoll.
Doch Soradan hatte bereits nach einem seiner Männer gerufen. Es war sein Leibarzt, der mitgeritten war, um sich um die noch nicht völlig verheilte Verletzung seines Herrn zu kümmern. Der Arzt ließ den Verwundeten aufheben und zu einem der Wagen tragen, die im Tross folgten. Auch Ordin brachte man dorthin. In aller Eile schlugen die Männer auf Soradans Geheiß ein Lager auf. Loara hatte dem Arzt nacheilen wollen, doch Soradan hielt sie zurück.
„Er ist in guten Händen, mein Kind, und es wird für ihn alles getan, was möglich ist. Aber nun erzähle, was geschehen ist. Doch zuerst: Wie nanntest du den Mann?“
„Es ist König Chiron, Vater“, sagte Loara.
„Chiron?“ rief Soradan verblüfft. „Aber der ist doch seit über vier Jahren tot! Den Göttern sei‘s geklagt, denn er war ein guter Mann.“
„Nein, Vater, das ist wirklich Chiron. Menas ließ ihn verschleppen, um sich des Throns zu bemächtigen. Doch Chiron wurde befreit.“
„Das sieht Menas ähnlich!“ Soradan war empört. „Habe ich dir nicht immer gesagt, dass er ein Schurke ist? Du musst mir alles genau erzählen!“
Er führte Loara in das Zelt, das zwischenzeitlich auf der Wiese aufgeschlagen worden war. Nun erzählte Loara ihrem Vater von ihrer Entführung durch Chiron und was er ihr von seinem Schicksal berichtet hatte. Aber sie verschwieg Soradan Chirons Vergehen an ihr. Soradan hatte ihr zugehört, ohne sie zu unterbrechen. Jetzt aber fragte er sie:
„Woher weißt du, dass dir dieser Mann die Wahrheit gesagt hat? Er könnte ein Betrüger sein, der sich den Thron erschwindeln möchte, indem er sich für den verschollenen König ausgibt.“
„Wäre Menas geflüchtet, wenn er diesen Mann und seine Geschichte nicht zu fürchten gehabt hätte?“ fragte Loara zurück. „Befrage Chirons Diener! Er wird dir alles bestätigen. Und außerdem kannst du ja selbst nachprüfen, ob er die Wahrheit gesagt hat, und du weißt auch, wodurch!“
„Das Brandmal!“ rief Soradan. „Ich muss es sehen!“
Aufgeregt erhob sich und eilte aus dem Zelt. Loara folgte ihm mit bangem Herzen. Was, wenn es das Brandmal nicht gab? Aber dann verwarf sie den Gedanken. Chiron hätte dieses Zeichen nie erwähnt, wenn er es nicht hätte vorweisen können, und Menas wäre nicht geflohen, da er einen Betrüger nicht zu fürchten gehabt hätte. Das hatte sie ja dem Vater selbst zu bedenken gegeben. So betrat sie beruhigt hinter Soradan das Zelt, in das man Chiron gebracht hatte.
Der Verwundete lag auf einem weichen Lager. Sein Oberkörper war entblößt und ein dicker Verband war über die Wunde gelegt worden. Chiron war sehr bleich und hatte das Bewusstsein noch nicht wieder erlangt.
„Wird er sterben?“ fragte Loara angstvoll den Arzt, der sich bei ihrem Eintreten von Chirons Bett erhoben hatte.
„Ich kann es nicht sagen, Prinzessin“, antwortete der Arzt, „er hat viel Blut verloren und die Wunde ist tief. Doch ich werde für ihn tun, was in meiner Macht steht.“
„Ich muss seinen Rücken sehen“, sagte Soradan, „seine linke Schulter!“
„Er sollte besser noch nicht bewegt werden, Herr“, gab der Arzt zu bedenken. „Es könnte sonst sein, dass die Wunde wieder zu bluten beginnt, und das könnte sein Tod
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