Der Gesandte der Götter (German Edition)
und es scheint, dass das Fieber sinkt. Nun glaube ich, dass er es schaffen wird. Aber Ihr solltet nun wieder schlafen gehen, denn sonst werdet Ihr mir womöglich auch noch krank nach all den Aufregungen, die Ihr hattet.“
Eine Weile noch sah Loara auf Chiron nieder, denn ging sie zurück in ihr Zelt.
Als sie am nächsten Morgen ihrem Vater beim Frühstück gegenüber saß, musterte dieser sie ernst und über seinen buschigen Brauen stand eine scharfe Falte.
„Ich hörte, Chiron ist über den Berg?“ fragte er.
„Ja, und den Göttern sei Dank dafür!“ antwortete Loara erleichtert.
„Du dankst den Göttern für das Leben dieses Mannes?“ fragte Soradan und in seiner Stimme schwang kaum verhohlener Groll mit. „Was tat er dir an, für das er so inständig deine Verzeihung erflehte? Der Arzt hat mir davon berichtet. Was hat er Grausames an dir begangen, das ihn bis in seine Fieberträume verfolgt?“
Loara Gesicht übergoss sich mit Blut. Sie senkte den Kopf und schwieg.
„Schon gut!“ fuhr Soradan auf. „Du brauchst es mir nicht zu sagen, ich kann es mir auch so denken.“ Seine Hand zuckte zum Dolch. „Wenn er nicht hilflos daläge, würde ich ihm die Verzeihung geben, die er verdient. Doch sobald er wieder auf den Beinen ist, werde ich ihn für diesen Frevel zur Rechenschaft ziehen!“
„Nein, Vater, bitte!“ Loara hob den Kopf und sah ihrem Vater in die Augen. „Er war krank vor Schmerz um Darona und vor Hass auf Menas, den ich auch noch verteidigte. Ich nannte Chiron einen Betrüger, der sich das alles ausgedacht habe, um mit meiner Hilfe die Macht an sich zu reißen. Ich sagte, dass sich Darona Menas an den Hals geworfen und ihr Schicksal selbst verschuldet habe. Ich schmähte sie und nannte sie eine Dirne. Das machte Chiron rasend! Jetzt kann ich seinen Zorn verstehen, und darum habe ich ihm vergeben. Und deshalb solltest auch du ihm verzeihen. Hat er nicht schon genug durchgemacht?“ Sie senkte den Blick. „Ich will nicht, dass ihm etwas geschieht!“
Soradan schaute Loara lange prüfend an. Dann fragte er sanft: „Du hast dich in ihn verliebt, nicht wahr?“
Loara schwieg eine Weile. Dann sagte sie leise: „Ja, ich glaube, ich liebe ihn!“
„Ihr Frauen seid seltsame Geschöpfe!“ Soradan schüttete verständnislos den Kopf und strich sich nachdenklich über seinen grauen Bart. „Statt diesen Mann zu hassen, verliebst du dich in ihn! Das verstehe, wer will! Aber er wird dich heiraten, darauf bestehe ich!“
„Nein, Vater“, rief Loara entsetzt, „ich möchte nicht, dass du ihn dazu zwingst, denn ich will keinen Mann, der mich nicht liebt! Und selbst wenn er es täte – ich liebe ihn zwar und habe ihm verziehen, aber ich weiß nicht, ob ich es ertragen könnte, wenn er …“. Sie brach ab und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
Soradan kam zu ihr herum und zog sie in seine Arme. „Mein armes Kind!“ sagte er. „Wenn du ihn nicht lieben würdest und um Gnade für ihn gebeten hättest, würde ich ihn auspeitschen lassen für den Schmerz, den er dir zugefügt hat. Es zerschneidet mir die Seele, dich so leiden zu sehen, mein Töchterchen! Kann ich denn gar nichts für dich tun?“
„Nein, Vater, du kannst nichts tun“, seufzte Loara. „Mein Leben lang hast du versucht, alles Schlimme von mir fernzuhalten, und ich danke dir dafür. Aber das hier werde ich wohl allein durchstehen müssen.“
Am nächsten Morgen hatte sich Chiron erstaunlicherweise so erholt, dass der Arzt meinte, man könne es wagen, ihn mit auf den Rückweg zu nehmen. Der alte Ordin war auch wieder auf den Beinen und bemühte sich den ganzen Tag um seinen Herrn, so dass der Arzt nur hier und da nach Chiron sehen musste. Der Wagen, auf den man Chiron gelegt hatte, war weich gepolstert, und so konnte der Verletzte die Unebenheiten des Weges ertragen.
Als der Tross nach zwei Wochen auf Soradans Schloss ankam, war Chiron so weit genesen, dass er nicht mehr zu liegen brauchte und auch schon hier und da einen kurzen Spaziergang machen konnte. Loara hatte gelegentlich ein paar Worte mit ihm gewechselt, doch sie ging ihm so weit wie möglich aus dem Weg, was er schmerzlich vermerkte.
Soradan jedoch grollte Chiron und hatte all die Zeit keine Notiz mehr von ihm genommen.
4. Eine verzweifelte Unternehmung
Seit zehn Tagen lebte Chiron nun schon am Hof Soradans und er war nun völlig wiederhergestellt. Er hatte jedoch die Räume,
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