Der Gesandte der Götter (German Edition)
werden.“
Loara hatte die ganze Zeit etwas abseits gestanden. Ihr Gesicht war bleich und Tränen liefen über ihre Wangen. Chiron und Leoris traten zu ihr. Fast hätte Chiron sie in die Arme gezogen, aber dann hielt er sich zurück. Aber Leoris legte beruhigend seinen Arm um ihre Schultern.
„Was ist denn los, Schwesterchen?“ fragte er sanft. „Es ist doch alles vorbei. Warum weinst du denn jetzt?“
„Oh, Leoris!“ sagte sie verzweifelt. „Es ist so schrecklich! Ich weiß ja, dass dieser Mann nicht entkommen durfte, …. Aber ich habe ihn getötet! Schon in Menas‘ Kerker war ich gezwungen, zwei Menschen zu töten. Aber diese waren böse und haben euch quält. Und ich musste euch retten, daher war ich gezwungen, es zu tun. Aber diesen Mann hier habe ich wie ein Wild erlegt! Er wollte doch nur sein Leben retten. Wann wird all das Furchtbare enden?“
„Nicht, bevor Menas und Xoras ihr Ende gefunden haben“, sagte Leoris. „Denn von Ihnen geht all das Übel aus. Und gräme dich nicht um den Tod dieses Mannes, den du erschossen hast! Glaube mir, hätte sich das Blatt zu Gunsten der Soldaten gewendet, würde er nicht gezögert haben, dich zu töten oder dir gar noch Schlimmeres anzutun.“
Bei diesen Worten warf er einen bedeutsamen Blick auf Chiron, der ihn sehr wohl verstand. Loara jedoch löste sich aus Leoris‘ Armen. Chiron wandte sich ab und ging zu seinem Pferd, während Leoris weiter beruhigend auf Loara einredete.
Als sie sich etwas gefasst hatte, half sie den Männern, die Toten ein Stück in den Wald hinein zu tragen, so dass sie vom Weg aus nicht mehr gesehen werden konnten.
„Was machen wir nur mit den Pferden?“ fragte sie. „Wir können sie doch nicht mitnehmen.“
„Wir werden die Tiere in den Wald jagen“, antwortete Chiron. „Bis jemand sie findet, werden wir wohl in Sicherheit sein.“
Sie jagten die Pferde davon und bestiegen dann ihre eigenen.
„Wir müssen uns beeilen“, drängte Chiron. „Wir wissen nicht, ob die Soldaten nicht zu einer bestimmten Zeit erwartet wurden und ein anderer Trupp sie suchen kommt, wenn sie zu lange überfällig sind.“
Eine Weile galoppierten sie schweigend dahin. Als sie nach einiger Zeit zur Schonung der Pferde die Geschwindigkeit etwas mäßigten, räusperte sich Leoris. „Hm, Ihr seid ein gewaltiger Kämpfer, Chiron! Und das, wo Ihr bestimmt noch unter Euren Verletzungen leidet“, sagte er mit etwas widerwilliger Bewunderung. „Wäre an Eurer Stelle ein anderer gewesen, ich weiß nicht, ob wir der Übermacht Herr geworden wären. Ich schätze, wir sind Euch Dank schuldig.“
„Ihr seid mir nichts schuldig, Leoris“, antwortete Chiron kalt, denn Leoris‘ Blick von vorhin brannte immer noch in seiner Seele. „Schließlich ging es auch um meine Haut. Und wenn, dann wären wir jetzt quitt, denn habt Ihr mich nicht auf Euren Schultern aus dem Kerker getragen? Also wollen wir nicht mehr davon sprechen, wer wem etwas schuldet.“
Leoris schwieg. Er war wütend auf sich selbst, denn er sah ein, dass er mit seiner Anspielung zu weit gegangen war, zumal Loara der Blick nicht entgangen zu sein schien, den er Chiron zugeworfen hatte. Warum nur konnte er Chiron nicht endlich vergeben? Tat dieser nicht wirklich alles, um gutzumachen, was er Loara antat? Leoris sah ein, wie ungerecht er war. Dass sie unbeschadet so weit gekommen waren, hatten sie ebenfalls Chiron zu verdanken. Sollten sie Soradan je erreichen, so wäre es nur Chirons Verdienst. Hätte er sie nicht so umsichtig geführt, wären sie Menas‘ Häschern schon längst in die Hände gefallen. Es schien fast unglaublich, dass Chiron nach der Behandlung in Menas‘ Kerker und den Strapazen der Flucht noch mit einer solchen Kraft und Energie diesen mörderischen Kampf durchgestanden hatte. Je länger Leoris darüber nachdachte, desto größer wurde seine Bewunderung für Chiron. Dieser Mann hatte auch seine Verzeihung verdient, und er nahm sich vor, auch seinen Vater dahingehend zu beeinflussen.
Als sie das Ende des Waldes erreichten, war es nun doch fast Mittag geworden. Durch die letzten Bäume hindurch sahen sie in einiger Entfernung die Stadt im trüben Sonnenlicht des etwas diesigen Tages vor sich liegen.
„Wie ihr seht, zieht sich der Wald fast in einem Halbkreis um die Felder, die rings um die Stadt liegen“, sagte Chiron zu den beiden. „Wir werden daher am Waldrand entlang reiten und immer in der Deckung der
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