Der Gesandte der Götter (German Edition)
hätten fliehen können, haben wir dir zu verdanken. – Du siehst also“, wandte sie sich an ihren Vater, „Chiron hat die Aufgabe, die du ihm gestellt hast, in jeder Hinsicht gelöst.“
„Ja, das hat er!“ bekräftigte Leoris. „Und ich muss gestehen, dass ich ihn bewundere. Nie sah ich einen Mann, dessen Willenskraft größer gewesen wäre! Nur sein eiserner Wille und das Wissen darum, dass wir ohne seine Führung verloren gewesen wären, haben ihn aufrecht gehalten, obwohl er dem Tode näher war als dem Leben. Leider habe ich das erst sehr spät erkannt, und daher erbitte ich für mein anfängliches Verhalten um Eure Verzeihung, Chiron.“
Chiron schwieg, aber er hatte das Gefühl, als würde nach und nach eine schwere Last von seinen Schultern genommen.
„Auch ich betrachte Eure Schuld als beglichen, König Chiron“, sagte Soradan. „Euer Mut und Eure Opferbereitschaft haben jeden Makel von Eurer Ehre abgewaschen. Ihr braucht vor niemanden mehr den Blick zu senken, denn was Ihr vollbracht habt, war die Tat eines Edelmanns.“
„Und alles, was du nahmst, gabst du dreifach zurück, Chiron“, sagte Loara sanft und legte ihre Hand auf seinen Arm.
Chiron hob den Kopf und schaute in ihre Augen. Und er fand in ihnen Stolz auf den Mann, den sie liebte. Da weitete sich seine Brust in einem tiefen Seufzer und es war ihm, als zersprängen Ketten, die ihn bis jetzt am freien Atmen gehindert hatten.
Lange saßen sie noch beisammen und erzählten von ihren Erlebnissen. Dann begaben sie sich zur Ruhe. Soradan wollte am nächsten Morgen eine Beratung abhalten, wie sie weiter vorgehen sollten.
Leoris blieb bei seinem Vater im Zelt, für Loara jedoch war ein eigenes aufgeschlagen worden und auch für Chiron hatte man eine eigene Unterkunft aufgebaut.
Der Arzt des Königs hatte sich Chirons Wunden angenommen und schmerzlindernde Salben aufgelegt. Die Wunden begannen bereits zu heilen, und so verbrachte Chiron die Nacht ohne Störung.
9. Die Rückkehr des Königs
Am nächsten Morgen in der Frühe trafen sie wieder in Soradans Zelt zusammen. Der König hatte auch seine Heerführer dazugerufen, und als sich alle niedergelassen hatten, begann Soradan:
„Der ursprüngliche Grund für unser Eindringen in Varannia, nämlich Leoris‘ Befreiung, ist nun – den Göttern und König Chiron sei Dank – hinfällig geworden. Doch ihr wisst mittlerweile alle, dass Menas nur durch Verrat an dem rechtmäßigen Herrscher, seinem Bruder Chiron, auf den Thron von Varannia gelangen konnte. Wir alle kennen Menas‘ Verbrechen und wissen, wie das Volk unter seiner und des Magiers Tyrannei leidet. Ich kann daher nicht zulassen, dass Menas weiterhin ungestraft bleibt. Die Gefangennahme meines Sohnes und Menas‘ Untaten an Chiron müssen gesühnt werden. Wir werden daher bei unserem Vorhaben bleiben und auf die Burg marschieren. Bis jetzt sind wir unbehelligt geblieben, und das Volk ist uns sogar freundlich entgegengekommen, da es hofft, durch uns von Menas befreit zu werden. Aber nun haben wir durch Chiron erfahren, dass Menas beginnt, ein Heer zu sammeln.
Es wird darum bald zum Kampf kommen. Das wird jedoch viel Blut kosten, was ich gern vermeiden möchte. Ich habe daher einen Plan, der uns, wenn er gelingt, das Leben vieler Unschuldiger retten wird.
Unter unseren Männern sind viele, die durchaus als Varannier gelten können. Wählt unter diesen Freiwillige aus. Ich will sie voraussenden, damit sie unter dem Volk die Rückkehr des Königs Chiron verbreiten können. Sie sollen berichten, dass sie ihn selbst gesehen haben und dass kein Zweifel an seiner Echtheit besteht, da er das Zeichen der Könige trägt.
Doch sollen sie das Volk nicht gegen Menas aufwiegeln, was erst recht zu Blutvergießen führen würde. Aber vielleicht können sie durch Geschick und Beeinflussung erreichen, dass bei einem Kampf die Leute zu uns überlaufen.
König Chiron wird das Heer anführen, denn jeder soll ihn sehen. Sein Banner mit dem Wappen von Varannia und der Rose wird ihm vorangetragen, damit jeder weiß: Hier kommt König Chiron! Auch werden vor den Mauern jeder Stadt, die wir passieren, die Herolde seine Rückkehr verkünden.
Xoras ist zwar ein mächtiger Magier, aber auch er kann nicht ein ganzes Volk unter seinem Bann halten. Sein Wille kontrolliert nur einen Teil seiner Soldaten, die anderen sind nur mit Drohungen zum Dienst gepresst, wie Chiron uns berichtet hat. So werden wir es mit der
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