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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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einen Ausschnitt der Stadtmauer. Hinter den beschädigten Zinnen gleißten die Helme der Verteidiger in der Mittagssonne. Fernes Geschrei erklang, als ein Schleuderstein gegen die Brüstung schmetterte. Ein Katapult im Innern der Stadt erwiderte den Beschuss, und ein Hagelschauer aus kleinen Steinen flog über die Wehrmauer.
    »Bist du sicher, dass sie da drin sind?«, fragte er Andranik.
    »Ganz sicher.« Der Armenier rieb sich die Nase, während er die Stadt auf der Anhöhe betrachtete. Selbst bei dieser Hitze setzte er seine Fellkappe nicht ab. »Die Bauern haben sie gesehen, als sie hineingeritten sind.«
    »Und wenn sie die Stadt wieder verlassen haben?«
    »Kurz nach ihnen kamen die Mongolen. Keine zwei Stunden später. Seitdem hat niemand mehr die Stadt verlassen.«
    Raoul ging einige Schritte an Andranik vorbei und teilte dort die Hecke. Er sah einen Mauerabschnitt, der nicht beschossen wurde. Obwohl die Stadt nicht groß war, verfügte sie über massive Befestigungsanlagen. Die Mauer war an einigen Stellen in Mitleidenschaft gezogen, aber nicht ernsthaft beschädigt; offenbar richteten die Katapulte der Mongolen nicht genug Schaden an. Hier oben verdeckte das Gestrüpp das Jurtenlager, doch Raoul hatte es vom Kamm aus gesehen, hinter dem die
Ebene des Sewansees begann. Das Heer war nicht groß; zudem gab es wegen der erhöhten Lage der Stadt nur wenige Stellen, an denen Angreifer mit Leitern und Sturmböcken vorrücken konnten; die beiden Tore waren durch turmbewehrte Vorwerke geschützt. Raoul vermutete, dass sich die Mongolen an den Mauern die Köpfe blutig gerannt hatten und sich nun darauf beschränkten, sie Tag und Nacht zu beschießen, bis Verstärkung kam.
    Wenn Verstärkung kam, wurde die Stadt gestürmt, und die Vita ging möglicherweise verloren oder fiel den Mongolen in die Hände. Wenn keine Verstärkung kam, ging die Belagerung weiter, wochenlang, monatelang, bis die Aufständischen vor Hunger aufgeben mussten. Der Ausgang war derselbe - mit dem Unterschied, dass Raoul ihn vielleicht nicht mehr erlebte.
    Wir waren so nah dran, dachte er. Und jetzt das.
    Er schob sein Schwert in die Scheide und machte sich auf den Weg zu den anderen.
    Jada und Matteo warteten am Fuß des steilen, von Sträuchern und jungen Birken bestandenen Abhangs. Ihre Pferde tranken aus einem Wasserlauf, der über sonnengebleichte Steine plätscherte. Jada rieb die Tiere ab. Sie wandte sich um, als sie das Knacken von Zweigen unter Raouls Stiefeln hörte.
    »Sie sind in der Stadt eingeschlossen«, berichtete er. »Andranik sagt, dass sie sie nicht verlassen haben können.«
    Sie warf dem Armenier, der hinter ihm aus dem Gebüsch kam, einen flüchtigen Blick zu. »Er kennt al-Munahid nicht. Al-Munahid findet sich nicht damit ab, in der Stadt festzusitzen.«
    »Er wird es müssen«, sagte Andranik. »Die ganze Gegend wird von Mongolen durchkämmt. Sie nehmen jeden fest, der sich in der Nähe der Stadt aufhält. Selbst wenn ihm die Flucht gelingt, kommt er nicht weit.«
    Jadas Augen verdunkelten sich. »Wir können Allah danken, wenn er nicht längst über alle Berge ist. Such die Umgebung
ab«, sagte sie zu Andranik. »Vielleicht hat ihn jemand gesehen.«
    »Das ist zu gefährlich, Jada«, sagte Raoul. »Die Wachen -«
    Andranik legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Die Wachen kümmern mich nicht. Aber ich glaube nicht, dass ich eine Spur von al-Munahid finde.«
    »Versuch es«, beharrte die Ägypterin.
    Der Armenier legte seinem Pferd Sattel und Zaumzeug an und stieg auf. Um das Tal zu verlassen, musste er einen Umweg reiten. Er hatte sie mit Absicht durch diese unwegsame, unbewohnte Hügelkette geführt, denn hierher kamen die Mongolen nicht.
    Als Andranik fort war, übernahm Matteo die Beobachtung der belagerten Stadt. Raoul setzte sich mit dem Wasserschlauch in den Schatten der mannshohen Büsche. Nach einer Weile brachte Jada ihm Beeren und setzte sich zu ihm. Jeder hing seinen Gedanken nach, und sie sprachen nicht viel. Jadas Verschlossenheit hatte sich etwas gelegt. Doch die Nacht im alten Tempel hatte sie nicht vergessen. Wenn sie mit ihm sprach, war etwas an ihr, das vorher nicht da gewesen war … Vorsicht.
    Ihm fiel auf, dass ihre Haut noch genauso hell wie bei ihrer ersten Begegnung war; die Tage und Wochen in der glühenden Sonne hatten daran nichts geändert. Ich weiß nichts über sie, dachte er. Gar nichts.
    Sie spürte seinen Blick auf sich und schaute ihn an. Ihre Schönheit strich mit brennenden

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