Der Gesandte des Papstes
dass ausreichend Zeit verstrichen war, rief er die Männer zusammen. Rafiq blieb bei ibn-Marzuq. Mit den anderen verließ er das Haus durch den Seiteneingang.
Die Stadt hatte zwei Tore, die durch Vorwerke, bestehend aus einem Viereck fester Mauern mit Türmen, geschützt wurden. Als sie sich der Stadt von der Ebene genähert hatten, war ihm noch ein weiterer Zugang aufgefallen; er war schon zu lang Soldat, dass ihm solche Einzelheiten entgingen. Es handelte
sich um eine Ausfallpforte in der Südmauer, von der ein gewundener Pfad über die Anhöhe ins Tal führte. Die Mongolen hatten aus guten Gründen darauf verzichtet, die Tür anzugreifen: Auf dem Pfad konnten keine zwei Männer nebeneinander gehen, er war zu steil für Rammböcke, und das Gelände bot kaum Schutz vor den Bogenschützen auf den Mauern. Heute Morgen hatte Kadar sich an die Pforte erinnert, sich auf die Suche nach ihr gemacht und sie in einem halbrunden Bollwerk gefunden. Besonnen, wie die Armenier waren, ließen sie sie bewachen.
Allerdings war die Aufmerksamkeit der beiden Wachposten auf Feinde außerhalb der Mauern gerichtet. Mit einem Angriff von innen rechneten sie nicht.
Najibs Wurfmesser durchbohrte den Hals des Ersten. Als der Mann mitsamt seinem Hocker umkippte, sprang der andere auf und griff nach seinem Schwert. Doch Akif war schon bei ihm. Die Schlachtklinge fuhr herab und trennte ihm fast den Kopf vom Hals.
Der Angriff war fast lautlos vonstattengegangen. Trotzdem hielt Kadar nach herbeieilenden Soldaten Ausschau, ehe er mit dem Rest seiner Männer den Hof des zerstörten Hauses verließ und die Gasse überquerte. Alles war still. Der Boden bestand aus gestampfter Erde, sodass Kettenhemden und Helme der Armenier nicht laut geklappert hatten, als die Soldaten zusammenbrachen. Er ließ die Leichen in den hinteren Teil der Wachkammer schaffen. Eine Luke in der Decke führte zum Wehrgang. Kadar schloss sie und schob den Riegel vor; dasselbe tat er mit den beiden Torflügeln, mit denen sich die Wachkammer verschließen ließ.
Die Männer warteten mit blanken Waffen und angespannten Mienen, während er die Fackel aus der Wandhalterung nahm und den eingerosteten Riegel der Pforte aufzog. Auch die Türangeln waren verrostet. Er öffnete eine Lampe, goss das gesamte Öl auf die Bolzen und öffnete die Tür.
Frische Nachtluft drang in die Kammer. Unter ihnen brannten die letzten Feuer der Mongolen. Kadar schwenkte die Fackel über dem Kopf.
Nach einer Weile bewegten sich Schatten zwischen den Felsen, und eine Reihe dunkler Gestalten kam den Hang herauf.
Raoul schreckte aus dem Schlaf, als ihn eine Hand an der Schulter rüttelte. Jemand beugte sich über ihn.
»Es tut sich etwas«, sagte Andranik.
Raoul war sofort hellwach und stand auf. Das Feuer war niedergebrannt, und die Nacht wich der Morgendämmerung. Auch Jada und Matteo waren schon auf.
Gemeinsam stiegen sie zur Hügelkuppe. Raoul schaute durch die Lücke in der Brombeerhecke zur Stadt. Es war zu dunkel, um Einzelheiten zu erkennen, doch fest stand, dass gekämpft wurde; er hörte leise Schreie und das Klirren von Stahl auf Stahl.
»Wie lange geht das schon?«, fragte er.
»Es hat gerade angefangen.« Der Armenier hatte den Rest der Nacht gewacht, trotzdem schien er nicht müde zu sein. Er hatte Brombeeren gesammelt und auf ein Stück Rinde getan. Jetzt schob er sich eine Hand voll in den Mund.
Raoul beobachtete angestrengt das Vorwerk zur Seeseite, das im Gegensatz zum Rest der Stadt nicht vollkommen dunkel war. Doch mehr als huschende Schemen im Fackelschein waren nicht zu sehen. »Die Katapulte schießen nicht. Warum greifen die Mongolen mitten in der Nacht ohne Katapulte an?«
»Sie sind schon in der Stadt«, sagte Jada. »Al-Munahid hat sie hereingelassen.«
Raoul wandte sich zu der Ägypterin um. Nicht einmal er wäre dazu fähig, wollte er erwidern, doch es kam nicht über seine Lippen. Er wusste, dass sie recht hatte.
Andranik ging wieder zu ihrem Lagerplatz; die anderen beobachteten weiter die Stadt. Die Morgendämmerung kam rasch
und erhellte das Geschehen in der Stadt. Mongolische Soldaten standen auf den Mauern und Türmen des Vorwerks, erkennbar an ihren Fellkappen, den Wämsen aus graubrauner Rohseide und ihren Reiterbögen. Das Tor stand offen, und weitere Krieger strömten in die Stadt, viele zu Pferd. Flammen leckten aus den Fensterschlitzen des Stadtherrenpalasts, kurz darauf brannten noch mehr Gebäude. Der Wind wehte Rauch und die Klagerufe der
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