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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Fingern über seine Seele. Der Ausdruck in ihren Augen war der einer Frau, die gelernt hatte, ihre Gefühle sorgsam zu verbergen; trotzdem sah er ihren Schmerz und fragte sich zum tausendsten Mal, woher er kam.
    »Erzähl mir von deinem Volk«, sagte er.
    »Das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe es geschworen.« Jada schien zu spüren, dass die Antwort ihn verärgerte, und fügte hinzu: »Es gibt nur noch
wenige von uns. Wir leben im Verborgenen und halten unsere Existenz geheim.«
    »Dann erzähl mir von dir.«
    Jada schwieg lange. Schließlich sagte sie leise: »Du musst aufhören, diese Fragen zu stellen, Raoul.«
    Er wollte seinen Fehler nicht wiederholen, dennoch konnte er nicht verhindern, dass seine Stimme ungeduldig klang. »Aber ich weiß nichts über dich.«
    »Du weißt schon zu viel. Was du für mich empfindest, darf ich nicht erwidern. Es würde Leid über dich bringen.«
    »Aber du tust es, nicht wahr?« Seine Stimme war leise.
    »Meine Gefühle sind unwichtig. Es ist für uns beide am besten, wenn ich nicht auf sie höre.« Sie wollte gehen, doch Raoul stand auf und hielt ihre Hand fest.
    »Vielleicht kannst du das«, sagte er harscher, als ihm lieb war. »Ich kann es nicht.«
    Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht, dann entzog sie ihm ihre Hand und ging davon.
     
    Andranik kam am frühen Abend zurück. Er brachte sein Pferd am Bachlauf zum Stehen und schwang sich aus dem Sattel. Jada, die Reisig für das Feuer aufgeschichtet hatte, richtete sich auf.
    »Nichts«, sagte der Armenier. »Keine Spur von al-Munahid und den Söldnern. Sie müssen noch in der Stadt sein.«
    »Er wartet nicht, bis sie gefallen ist«, sagte Jada. »Er wird versuchen, vorher zu fliehen. Wir müssen die Stadt im Auge behalten.«
    Raoul zerschnitt das restliche Ziegenfleisch und spießte die Stücke auf Andraniks Bratspieß. Er stand auf und wischte sich die Hände an der Hose ab. »Ich mache den Anfang.« Er wandte sich an Matteo. »Löse mich bei Sonnenaufgang ab. Und bring mir etwas von dem Fleisch.«
    Als er den Hang hinaufstieg, spürte er Jadas Blick im Rücken.

    Er war froh, ihr aus dem Weg gehen zu können. Er musste nachdenken, und das konnte er am besten, wenn er allein war.
    Er suchte sich eine Stelle auf der Hügelkuppe, von der er einen guten Blick auf die Stadt hatte, und schlug mit dem Schwert eine Lücke in die Brombeerbüsche. Aufständische und Belagerer beschossen sich noch immer. Er konnte nur die Südund Westmauer und die beiden Tore sehen. Sollten die Söldner versuchen, die Stadt im Norden oder Osten zu verlassen, würde er es nicht bemerken. Doch er konnte es nicht ändern. Sie waren zu wenige, um die Stadt auch von der anderen Seite zu beobachten.
    Raoul stapelte einige Steine aufeinander, sodass sie eine Stütze für den Rücken ergaben, setzte sich und begann zu warten.
     
    Kadar blieb in der Tür stehen. »Wo ist Unardhu?«, fragte er.
    Uthman und Bishr lungerten in einem Zimmer herum, in dem der vorherige Besitzer des Anwesens Gäste von Rang und Namen empfangen haben musste. Wildkatzenfelle und andere Jagdtrophäen zierten die Wände; ein mit Schnitzereien verzierter Glasschrank enthielt kostbares Geschirr, von dem das Meiste jedoch in die Beutel seiner Männer gewandert war. Drei hohe Fenster zeichneten Rechtecke aus Sonnenlicht auf den Boden. Die Brüder saßen auf Lehnstühlen, zu ihren Füßen ein halbes Dutzend Weinflaschen, und tranken aus kupfernen Kelchen.
    »Bei der Hure«, sagte Uthman.
    Kadar nahm ihnen die Kelche aus den Händen und schüttete den Inhalt auf den Boden. »Genug Wein für heute«, sagte er barsch.
    Die beiden Männer glotzten ihn an, widersprachen aber nicht.
    Es wird Zeit, dass sie wieder etwas zu tun bekommen, dachte er, als er auf der Empore zur anderen Seite der Halle ging. Das Herumsitzen tut ihnen nicht gut.

    Es dröhnte durchs ganze Haus, als ein Schleuderstein das oberste Geschoss traf. Es war klug gewesen, sich hierher zurückzuziehen. Seit die Mongolen den aussichtslosen Angriff abgebrochen und sich zurückgezogen hatten, beschossen sie die Stadt ohne Unterlass. Mehrmals schon hatte ein verirrter Felsbrocken das Anwesen getroffen; die dicken Mauern hatten jedoch kaum Schäden davongetragen. Dagegen waren vom Schuppen der Herberge, wie er heute Morgen festgestellt hatte, nur noch Trümmer übrig.
    Er riss die Tür zum Schlafgemach auf und sah Unardhu, der sich gerade die Hose öffnete. Die Tochter des Ritters lag im Bett, die Decke bis zum

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