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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Straße ein heftiger Kampf tobte. Die Waffenknechte waren den Katharern zwar zahlenmäßig unterlegen, aber weitaus besser bewaffnet. Sie hatten schon drei Katharer niedergestreckt und noch keine eigenen Verluste erlitten.
    Raoul bemerkte eine Bewegung am Rand der Siedlung. Die Dorfbewohner kamen zurück, nun ebenfalls mit Sensen, Äxten und Mistgabeln bewaffnet.
    Der Kardinal war wieder bei Sinnen und trat neben Raoul an das Fenster. Wortlos beobachtete er das Geschehen. Er war zwischen vierzig und fünfzig, hatte ein breites Gesicht und harte, blaugraue Augen. Er schien ein Mann zu sein, der sehr genau auf sein Äußeres achtete, denn er war glatt rasiert, seine grauen Haare und Fingernägel waren sauber geschnitten. Raoul dachte an die Beleidigungen des Katharers und konnte sich schwerlich
vorstellen, dass sie der Wahrheit entsprachen. Das schwerste Laster, zu dem dieser Mann fähig erschien, war der gelegentliche Genuss eines Bechers Wein. Der Gedanke, dass er ein Hurenhaus aufsuchte, erschien ihm abwegig.
    Das Herannahen der Dorfbewohner veranlasste die Katharer, sich zum Wald zurückzuziehen. Ein halbes Dutzend von ihnen blieb tot oder schwer verletzt auf der Wiese zurück; die beiden zuerst Verurteilten brannten inzwischen lichterloh. Der Hauptmann machte keine Anstalten, die Flüchtenden verfolgen zu lassen. Er besann sich stattdessen auf seine Aufgabe und eilte mit seinen Männern zur Kirche. »Eminenz!«, rief er. »Eure Heiligkeit!«
    »Wir sollten die Tür öffnen«, sagte der Kardinal auf Toskanisch, das Raoul dank seiner Lateinkenntnisse mühelos verstand. »Der gute Francesco scheint schon ganz krank vor Sorge um mich zu sein.«
    Raoul half ihm, den schweren Balken zu entfernen. Die Kirchentür wurde aufgerissen, und der Hauptmann sowie drei seiner Soldaten stürmten mit blanken Schwertern herein. Erst jetzt fiel Raoul auf, dass der Anführer der Waffenknechte ein junger Mann war, höchstens fünfundzwanzig Jahre alt. Den Kinnbart schien er in dem Bemühen zu tragen, älter auszusehen.
    »Der Herr sei gepriesen! Ihr seid wohlauf.«
    »In der Tat«, erwiderte Kardinal Morra. »Was allerdings nicht dein Verdienst ist, mein Lieber.«
    Der Hauptmann nahm die Rüge nicht wahr, denn seine Aufmerksamkeit galt Raoul. Er richtete die Schwertspitze auf Raouls Brust. »Wer ist das?«, fragte er scharf. »Hat er Euch etwas angetan?«
    »Nimm dein Schwert herunter, du Narr«, herrschte Morra ihn an. »Dieser Mann hat mir das Leben gerettet, während du es vorgezogen hast, dich mit dem Ketzergesindel herumzuschlagen.«
    Francesco senkte die Klinge. Raoul atmete unhörbar aus und
nahm die Hand vom Schwertknauf. Der Hauptmann fuhr sich mit der Zungenspitze über die Oberlippe. »Wir griffen sie an, um Euch zu schützen, Eminenz. Ich konnte nicht ahnen, dass es so viele …«
    »Über deine Unfähigkeit, die Lage richtig einzuschätzen, unterhalten wir uns später«, fiel der Kardinal ihm ins Wort. »Jetzt mach die Kutsche fertig. Ich muss den Heiligen Vater unverzüglich über den Vorfall informieren.«
    Francesco schien noch etwas sagen zu wollen, aber dann entschied er offenbar, dass es klüger wäre, dem Befehl ohne Zögern nachzukommen. Als die Waffenknechte fort waren, traten Morra und Raoul ins Freie. Die Sonne war herausgekommen und beschien die ausgetretenen Stufen der kurzen Treppe. Die Dorfbewohner teilten sich in Gruppen auf und begannen, die Gegend nach den geflohenen Katharern abzusuchen. Der Priester der kleinen Kirche, ein schmächtiger Mann mit schlechten Zähnen, entschuldigte sich unterwürfig und wortreich bei Morra für den Angriff, als wäre er persönlich dafür verantwortlich.
    »So nah an Rom«, sagte Morra mit Blick auf den Wald, als sich der Priester endlich entfernt hatte. »Die Seuche der Häresie breitet sich schneller aus als die Pest. Es grenzt an ein Wunder, dass Katharer und Waldenser noch nicht vor den päpstlichen Palästen auf und ab spazieren.« Er wandte sich Raoul zu. Seine Gesichtsfarbe war blass. Er schien nicht oft an die Sonne zu kommen. »Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, meinem Retter zu danken, Herr …«
    »Raoul von Bazerat.«
    »Bazerat«, wiederholte der Kardinal. »Ihr seid Franzose?«
    Raoul entging das Misstrauen in Morras Stimme nicht. Franzosen, womöglich Gefolgsleute König Philipps, waren in diesen Tagen nicht gern in Rom gesehen. »Ich komme aus Oberlothringen«, erklärte er … und musste husten. Geschwind zog er ein Tuch hinter dem Gürtel hervor und

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