Der Gesandte des Papstes
entspannte sich. Al-Tufail war ein Gefolgsmann des Emirs von Aleppo gewesen, bis er seinen Herrn verraten hatte und vor dem Tod durch das Henkersbeil in die Wüste geflohen war. Sein verdrehter Verstand schien nur noch um seinen Verrat zu kreisen, und er hielt jeden Fremden für einen gedungenen Mörder seines Feindes.
»Ein Arzt und Heiler«, wiederholte al-Tufail gedehnt. »Ein Wunderheiler wie der letzte, der versucht hat, mir sein Gift einzuflößen?«
»Nein, Herr«, erklärte Mustafa aufs Neue. »Er hat bewiesen, dass er mehr von Heilkunst versteht als jeder andere Arzt, dem ich je begegnet bin.«
Al-Tufails fiebriger Blick ruhte auf Kadar, huschte zu Najib, kehrte ruckartig zu Kadar zurück. »Niemand kann mir helfen«, sagte er schließlich. »Das Gift des Emirs arbeitet schon zu lange in mir. Sieh, was es aus mir gemacht hat.« Er hob seine Krallenhände. »Allah allein kann mich davon befreien.«
Kadar kannte kein Gift, das wie die Lustseuche wirkte. Es war eine Erklärung, die al-Tufail sich in vielen Jahren eingeredet hatte, die sich schlüssig in seinen Wahnsinn einfügte. Vermutlich hatte er sich bei einer Sklavin angesteckt, oder in einem christlichen Hurenhaus an der Küste.
Kadar trat einen Schritt vor und verneigte sich. »Auch ich kann es, Herr. Ich kann Euer Blut von dem Gift des Emirs reinigen und Euch wieder zu dem machen, der Ihr wart.«
Al-Tufail wandte den Kopf zum Hauptmann. »Hast du gehört, Mustafa? Er sagt es auch. Ein guter Arzt weiß, wann ein Gift am Werk ist.«
Hauptmann Mustafa neigte nur demütig den Kopf. Offenbar hatte er schon vor langer Zeit aufgegeben, seinem Herrn ausreden zu wollen, dass der Emir die Schuld an der Krankheit trug.
»Eine Substanz der tückischsten Sorte«, sagte Kadar. »Sie wird über die Nahrung aufgenommen. Gewiss hat Eure Speise gelegentlich einen merkwürdigen Beigeschmack.«
Das Feuer in den kleinen Augen flackerte auf. »Ja! Ein Geschmack wie nach Kreuzkümmel?«
»Nach Kreuzkümmel«, bestätigte Kadar und fragte sich, wie viele Speisen in dieser Festung damit gewürzt wurden.
»Allmächtiger, Mustafa, endlich habe ich die Antwort!«, rief al-Tufail. »Wer bereitet mir jeden Tag das Essen?«
»Rashid«, sagte der Hauptmann und wurde unruhig. »Aber das hat doch nichts …«
»Er ist der Mörder des Emirs! Richte ihn, Mustafa. Schlag ihm auf der Stelle den Kopf ab!«
»Herr«, begann Mustafa und schien sich jedes Wort genau zu überlegen. »Omar hat jede Speise gemäß Eurer Anweisung sorgfältig vorgekostet. Wie kann es da sein, dass er keine Geschwüre bekommen hat?«
»Er steckt mit Rashid unter einer Decke!«, kreischte al-Tufail. »Schlag beiden die Köpfe ab! Worauf wartest du noch, du treuloser Hurensohn?«
Mustafa verneigte sich, machte kehrt und marschierte hinaus. Kadar glaubte nicht, dass er Rashid und Omar die Köpfe abschlug - vermutlich hatte al-Tufail in spätestens einer Stunde wieder alles vergessen. »Eine weise Entscheidung«, lobte er den gefallenen Edlen.
Al-Tufails Atem ging schwer vor Erregung. »Es wird nicht genügen. Der Feind ist eine Hydra. Für jeden abgetrennten Kopf wachsen zehn nach. Ich kann niemals sicher sein.«
»Lasst mich Euch behandeln. Geheilt von Euren Leiden könnt Ihr gestärkt gegen Eure Feinde vorgehen.« Kadar nahm das Zepter aus dem Beutel, worauf al-Tufail erstarrte.
»Was ist das?«, fragte er leise.
»Ein altes Werkzeug der Heilkunst, erschaffen von Suleyman dem Großen, gesegnet vom Propheten. In geschulter Hand vermag es jede Krankheit zu besiegen. Najib, beginne die Zeremonie der Reinigung.«
Der Junge hatte al-Tufail mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination angeglotzt. Jetzt öffnete er die Phiole mit dem pulverisierten Rost und begann, ihn wie vor dem Tor zu verstreuen.
Al-Tufail wich zurück. »Was macht er da? Ich will nicht, dass er das tut.«
»Es ist nötig für Eure Heilung«, sagte Kadar besänftigend.
»Nein! Er soll sofort damit aufhören!«
Najib sah ratlos zu seinem Anführer, der ihm mit einem Wink zu verstehen gab, al-Tufail zu gehorchen. Daraufhin verneigte sich Kadar erneut. »Wir verkürzen die Zeremonie, Herr. Es dient ohnehin nur der Vertreibung des Bösen - das Ihr bereits mit der Hinrichtung von Omar und Rashid ausgemerzt habt. Gestattet Ihr mir, Euch mit dem Zepter zu berühren?«
»Ist es für die Heilung erforderlich?«
»Unbedingt.«
»Also gut«, sagte al-Tufail, doch seine Augen waren voller Misstrauen.
Kadar hob das Zepter, als ihn der
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