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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Als er nach einem seitlichen Streich Kadars den Fuß auf die untere Stufe setzte, um sein Gleichgewicht zurückzuerlangen, durchlief ihn ein Schauer, und er stieß ein scharfes Keuchen aus. Kadar nutzte die Gelegenheit, schlug Mustafas Säbel zur Seite und trieb ihm die Klinge in den Hals. Der Hauptmann taumelte nach hinten, seine Knie gaben nach, und er ließ seine Waffe fallen, als er mit den Armen Halt an den Wänden suchte. Dann fiel er mit dem Gesicht nach vorn auf die Stufen und blieb reglos liegen. Hinter ihm stand Najib, der vor Mordlust lachte. Er hatte dem Hünen einen Dolch in den Rücken gestoßen.
    Kadar sprang über die Leiche und lief in den Hof. Der Kampf hatte sich verlagert. Die Beduinen und seine Schakale hatten
al-Tufails Männer zurückgedrängt. Beim Überraschungsangriff waren mehrere Soldaten getötet worden, sodass die Verteidiger der Festung zahlenmäßig unterlegen waren, trotz der Verstärkung, die von den Unterkünften herbeigerannt kam. Der Eunuch und Bishr bemerkten die Gefahr und liefen Kadar und Najib entgegen.
    Najib wollte sich in das Kampfgetümmel stürzen, doch Kadar hielt ihn am Arm fest. »Bleib beim Tor. Keiner darf entkommen. Wenn ihr hier fertig seid, durchsucht jedes Gebäude. Ich will, dass alle getötet werden.«
    Najib nickte widerwillig, enttäuscht, weil er vom Blutvergießen ausgeschlossen wurde. Kadar kehrte ihm den Rücken zu und rannte mit dem Schwert in der Hand über den Hof. Seine Männer hatten ihre Gegner nahezu eingekreist, sodass sich ihm niemand entgegenstellte, als er zum Haupthaus eilte. Langsam trat er ein, schloss die Tür hinter sich und legte den Riegel vor. Er wollte ungestört sein.
    Der große Saal war dunkel und still, Geschrei und Kampflärm drangen nur gedämpft herein. Kadar fand al-Tufail nicht auf dem Lager aus Kissen, sondern in einem angrenzenden Zimmer. Mustafa hatte ihn auf ein Bett unter einem Baldachin gelegt und mit einer dünnen Decke zugedeckt.
    Die Kammer war die Behausung eines Wahnsinnigen. Es stank nach ungewaschenem Körper, Krankheit, Exkrementen und verdorbenem Essen. Schmutzige Kleider bedeckten den Boden, quollen aus offenen Truhen. Die Türen eines kostbar geschnitzten Glasschrankes waren zersplittert, ihr Inhalt - Kupferkelche, Teller, Schalen - lag verstreut herum, zwischen zerfetzten und zerfledderten Kladden und Pergamenten. Mondlicht schien durch vier schmale, lilienförmige Fenster herein.
    Die Spitze einer langgezogenen weißen Lilie lag auf Ashwaq al-Tufails Gesicht - und jetzt erkannte Kadar ihn wieder.
    Das Zepter hatte seinen alten Feind in den Mann verwandelt, an den er sich in seinen Träumen erinnerte; nur das Alter
hatte es ihm nicht nehmen können. Kadar warf einen zerschlissenen Umhang von einem Hocker, setzte sich neben das Bett und betrachtete das Gesicht. Auch mit seinen sechzig Jahren war al-Tufail noch immer gut aussehend: Er hatte ebenmäßige Züge, eine gerade Nase und einen kurzen weißen Bart, der Mund und Kinn einrahmte. Die wirren Haare lagen wie ein Strahlenkranz auf dem Kissen, eine letzte Erinnerung an den Wahnsinn, der ihn jahrelang beherrscht hatte. Unmerklich hob und senkte sich seine Brust.
    Als sich Stille über den Hof gelegt hatte, durchsuchte Kadar die Schränke und Truhen, bis er eine Fackel fand. Er entzündete sie mit seinem Feuerstein und schob sie in eine Wandhalterung. Auf einem dreibeinigen Ebenholztischchen lag ein Spiegel. Kadar wischte den Staub von dem polierten Silber, kehrte zum Bett zurück und schlug al-Tufail sachte gegen die Wange, bis dieser sich regte und die Augen aufschlug.
    Der alte Mann brauchte lange, bis er zu sich kam und erfasste, wo er sich befand. Er setzte sich auf und blickte sich im Zimmer um, als sehe er es zum ersten Mal. Dann erst bemerkte er den Mann neben seinem Bett. Bei Kadars Anblick schien er sich zu erinnern, was geschehen war, denn er betrachtete seine Hände von allen Seiten, schob das Gewand an den Armen hoch und stellte fest, dass auch dort die Male der Krankheit verschwunden waren.
    »Ihr seid vollständig geheilt«, sagte Kadar.
    Mit zitternden Fingern betastete al-Tufail sein Gesicht. Als er sich Kadar wieder zuwandte, bebte seine Unterlippe. »Den Spiegel«, sagte er mit brüchiger Stimme.
    Kadar kam der Aufforderung nach. Al-Tufail betrachtete sich im Spiegel und berührte mehrmals seine Wangen, als müsse er sich vergewissern, dass er selbst es war, den er da sah.
    Tränen rannen über sein Gesicht.
    Vorsichtig stand er auf und ging

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