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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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abwarten, bis die Männer an ihr vorbeiritten - und fliehen. Zweifellos würde es zwischen Gaspares Leuten und den Söldnern zum Kampf kommen. Bis eine Seite bezwungen war und die Suche nach dem Zepter begann, war sie längst über alle Berge.
    Geh, raunten hundert Stimmen in ihr. Deswegen bist du doch hergekommen. Du wolltest das Zepter - du hast es. Jetzt flieh und kehr heim, solange du noch kannst. Tausend Jahre hast du auf diesen Tag gewartet.
    Aber wenn sie jetzt ging, gab es für Raoul keine Rettung mehr.
    Zögernd, Schritt für Schritt, dann immer schneller, immer entschlossener, lief sie schließlich zu ihm.
    Der Mongole kniete neben al-Munahid, zerriss dessen Waffenrock und versuchte, mit den Stoffstreifen die Blutung zu stillen. Unbemerkt von ihm hatte ibn-Marzuq das Haupthaus verlassen und sich zu Raoul gesellt. Er kauerte neben ihm und war genauso ratlos wie vorhin beim Kampf.
    »Tut einmal in Eurem Leben etwas Nützliches und zieht den Pfeil heraus«, fuhr Jada ihn an.
    Raoul lag auf dem Rücken und war noch bei Bewusstsein. Als sie sich über ihn beugte, blinzelte er. Sein Gesicht wirkte teigig, aber es zeigte keinen Schmerz, nur Verwunderung. »Warum … bist du … noch da?«, flüsterte er.
    »Nicht sprechen«, befahl sie ihm und blickte den Wesir wütend an, worauf dieser den Schaft in die Hand nahm und den Pfeil aus der Wunde herauszog. Er glitt fast ohne Widerstand aus der Brust, auch die Spitze blieb nicht stecken.
    Als ibn-Marzuq erkannte, was Jada vorhatte, sagte er: »Wenn Ihr ihn heilt, kostet Euch das die letzte Kraft. Wie wollt Ihr dann von hier fliehen?«

    Jada gab keine Antwort. Das Zepter zehrte von der Lebenskraft der Menschen; in den Händen eines Djinn jedoch brauchte es keine Quelle. Die Fähigkeiten der Djinn genügten, es zu nähren. Jada hatte man die Gaben vor tausend Jahren genommen, aber es war noch genug von der Magie ihres Volkes in ihr, dass sie die Macht des Zepters wecken konnte.
    »Wenn ich ihn geheilt habe, müsst Ihr mit ihm in der Zisterne untertauchen«, sagte sie.
    Ibn-Marzuq blickte sie verwirrt an. »Wozu?«
    »Wasser schützt vor Djinnzauber.«
    »Djinnzauber? Ich verstehe nicht …«
    »Tut einfach, was ich sage!«, fauchte Jada ihn an. Sie legte den Kopf des Zepters auf Raouls Brust. Seine Augen hatten sich verschleiert. Er wollte etwas sagen, doch seine Lippen bewegten sich ohne einen Laut. Hitze durchfloss Jada, die Hitze des Feuers, aus dem ihr Volk lange vor den Menschen erschaffen worden war und in dem Salomo das Zepter geschmiedet hatte. Die Pfeilwunde schloss sich, verheilte … und Raoul keuchte auf, als Krämpfe seinen geschwächten Leib erschauern ließen.
    Das Zepter trocknete die Geschwüre in seiner Lunge aus, vernichtete ihren Samen in seinem Blut, entzog seinem Körper restlos das Gift der Krankheit. Kraft kehrte in die Muskeln zurück, die von Tag zu Tag schwächer geworden waren, die hohlen Wangen und der matte Glanz in den Augen verschwanden.
    Raoul drückte Jadas Hand und lächelte, dann schlief er auf der Stelle ein.
    »Jetzt«, sagte sie.
    Dieses Mal zögerte ibn-Marzuq nicht; er hatte begriffen, dass es ihr ernst war. Er packte Raoul unter den Achseln, zerrte ihn zur Zisterne und stieg hinein. Das Wasser reichte ihm bis zur Brust. Er rollte den bewusstlosen Ritter herum, sodass er über den Rand rutschte. Mit einer Hand hielt der Wesir ihm Mund und Nase zu und tauchte mit ihm unter.
    Jada stand auf. Sie betrachtete den goldenen Stab in ihren
Händen und drehte ihn, sodass das Licht der Morgensonne die Rubine funkeln ließ wie zu Stein erstarrte Glut. Sie dachte an den Tag, als sie Antonius das Zepter gebracht hatte, an seine Freude, und musste lächeln. Es war geschaffen worden, ihr Volk zu versklaven, aber die meiste Zeit hatte es Gutes bewirkt.
    Jada blickte über den Hof, vom Tor zum Portal des Haupthauses. Gaspare und die Reiter ritten gerade in die Festung ein. Der Mann mit der Kapuze blieb vor dem Tor zurück. Er rief etwas, worauf zwei Bewaffnete ihre Pferde antrieben und die Schwerter zogen. Al-Munahid ahnte, was Jada vorhatte, zog den Mongolen am Arm zu sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Krieger nickte, nahm seinen Bogen und griff nach einem Pfeil.
    Jada hob das Zepter hoch in die Luft und schmetterte es auf den Felsenboden.
    Mit dem ersten Schlag platzten die Rubine ab.
    Mit dem zweiten verformten sich Stab und Kopf.
    Mit dem dritten zerbarst es und gab seine Last frei.
     
    Antonius allein wusste, wie viele Krankheiten,

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