Der Gesandte des Papstes
Kissen hoch. Seine Arme zitterten und waren kaum in der Lage, sein Gewicht zu tragen. Er versuchte, aufzustehen. »Ich muss sofort nach Rom!«
Der Sarazene drückte ihn mühelos aufs Bett zurück. Morra war so erschöpft, dass er keine Kraft für einen zweiten Versuch aufbrachte. »In einem Monat vielleicht. Aber auf keinen Fall jetzt. Allah hätte Euch fast zu sich geholt.«
Beim heiligen Kreuz, in einem Monat! Was in einem Monat alles geschehen kann. Der Heilige Vater braucht mich. So lange kann ich nicht warten!, waren Morras Gedanken. Doch er blieb liegen. Er wusste, dass er es niemals aus dem Haus schaffen würde, geschweige denn bis zum nächsten Hafen.
Als der Arzt gegangen war, starrte er auf den hellgrünen Baldachin, in der Hoffnung zu begreifen, was in der Bergfestung am Ende der Welt geschehen war.
ACHTUNDZWANZIG
A us einem Monat wurden sechs Wochen. Abdul-Muhaimin Hayyan behandelte das Fieber mit allen Mitteln der hoch entwickelten arabischen Heilkunst, doch es erwies sich als äußerst hartnäckig. Kardinal Morra erlitt mehrere Rückfälle, von denen ihn einer beinahe das Leben kostete. Als er schließlich in Sankt Simeon, dem Hafen der Stadt Antiochia, ein Schiff bestieg, war er so ausgezehrt, dass ihn seine Bediensteten erst auf den zweiten Blick erkannt hätten.
Die Überfahrt nach Ostia verlief ruhig und tat ihm gut, und drei Wochen später erreichte er seine Heimat. Er war nur drei Monate fort gewesen, doch es erschien ihm wie ein halbes Leben, als die vertraute Küste in Sicht kam. Ohne jeglichen Prunk, zu Fuß und mit einer einfachen Kutte bekleidet, gelangte er nach Rom.
Eine eigenartige Stimmung lag über der herbstlichen Stadt; er sah es in den Gesichtern, die ihm auf der Via Appia begegneten, er hörte es in den Stimmen der Händler, die am Straßenrand ihre Waren anpriesen. Anspannung, Unruhe, Ungewissheit. Gibt es Schwierigkeiten im Feldzug gegen die Katharer?, fragte er sich auf dem Weg zu seinem Palast. Haben sie einen entscheidenden Sieg errungen? Morra konnte es sich nicht vorstellen, schließlich waren die Ketzer bei seinem Aufbruch nach Konstantinopel schon so gut wie besiegt gewesen. Gewiss bildete er sich alles nur ein, weil er die Mienen der einfachen Römer nicht lesen konnte. Wer sich wie er immer nur in einer Sänfte oder Kutsche durch die Ewige Stadt bewegte, dem wurde das Leben auf der Straße irgendwann fremd.
Als er seinen Palast erreichte, sah er etwas, das ihn in Zorn versetzte: Zwei Ochsenkarren standen vor dem Tor, und seine Diener beluden sie mit Truhen, Büchern und Gemälden … seinen Truhen , seinen Büchern und seinen Gemälden. Sie halten mich für tot, dachte er und schritt schneller voran. Ja, das ist die einzige Erklärung. Und jetzt räumten sie sein Anwesen für einen seiner Feinde in der Kurie, der nur auf eine solche Gelegenheit gewartet hatte. Dabei hatte er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er möglicherweise längere Zeit fort war.
Zwei Bedienstete verschwanden in den Innenhof. Zurück blieb Marco, sein junger Leibdiener, der eine Liste abhakte.
»Was geht hier vor, Marco?«, fragte Morra scharf.
Marco sah von dem Pergament auf. Seine Augen weiteten sich, als er den Mann in der grauen Robe erkannte. »Eminenz! Bei Jesus am Kreuz, wo kommt Ihr auf einmal … Ich meine … Lieber Himmel!« Er unterbrach sein Gestammel, seine Miene wurde steif, er fiel vor Morra auf die Knie und küsste den dargebotenen Ring. »Eure Heiligkeit, welch ein Glück, dass Ihr wieder in Rom seid!«
Als er sich erhob, riss Morra ihm die Liste aus der Hand. »Das ist mein gesamter Besitz! Was hat das zu bedeuten? Rede, du Tölpel!« Die Leute auf der Straße warfen neugierige Blicke herüber. Morra packte den Jungen am Oberarm und zog ihn ins Zwielicht des Tordurchganges.
»Der Heilige Vater hat es so angeordnet, Eminenz«, erwiderte Marco furchtsam.
»Was angeordnet?«
»Die Räumung Eures Hauses. Er gab uns zwei Wochen Zeit, deshalb mussten wir heute beginnen.«
Die beiden anderen Bediensteten kehrten mit einer kleinen Sitzbank zurück. Jetzt erkannten auch sie Morra und blieben ratlos stehen.
»Tragt das wieder hinein! Auch den Rest! Sofort, ihr Narren!« Ohne ein Wort machten die beiden Männer kehrt. Morra
wandte sich wieder Marco zu. »Wieso sollte Bonifatius so etwas anordnen? Glaubt er, ich sei tot?«
Marco blickte ihn schweigend an und sagte schließlich: »Ihr wisst es noch nicht.«
Morra sah ein, dass er noch länger auf eine Erklärung
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