Der Gesandte des Papstes
fiel zu Boden. Dabei rutschte das Zepter hinter seinem Gürtel hervor. Al-Munahid griff danach, bekam jedoch nur den Beutel zu fassen, sodass es herausglitt und über den Boden rollte.
»Nimm es!«, schrie Raoul.
Jada hatte vorgehabt, den Söldner anzugreifen, bevor er sich wieder aufgerappelt hatte, und zögerte nun.
»Nimm es und lauf«, rief Raoul noch einmal, und seine Worte lösten den Bann. Schnell hob Jada das Zepter auf und hastete zum Ausgang.
»Nein!«, schrie al-Munahid. Er war auf die Füße gekommen und setzte ihr nach.
Sie riss einen Vorhang beiseite, lief durch den Flur zur Vordertür. Sie ist verschlossen, erinnerte sie sich und verfluchte ihre Gedankenlosigkeit. Warum bist du nicht in die andere Richtung gelaufen? Doch sie konnte nicht mehr umkehren.
Dann sah sie, dass die schwere Holztür kein Schloss hatte, nur einen Riegel. Sie zog ihn zurück, öffnete die Tür und stürzte ins Freie. Schwerter klirrten hinter ihr, doch Jada blickte sich nicht um. Als die Rampe einen Bogen machte, konnte sie aus den Augenwinkeln erkennen, dass Raoul den Söldner eingeholt hatte. Die beiden kämpften an der Tür.
Die Sonne ging auf. Der Hof der Festung lag so verlassen da wie bei ihrer Ankunft.
Das offene Tor war einladend, rief nach ihr.
Jada wusste, dass sie nicht länger warten sollte. Trotzdem wandte sie sich am Ende der Rampe um … gerade als Raoul strauchelte und beinahe in die Zisterne gestürzt wäre. Nein!, dachte sie. Al-Munahid nutzte den Moment und holte zu einem Hieb aus, den Raoul unmöglich würde abwehren können. Doch im selben Augenblick stieß Raoul seine Schwerthand nach oben und traf den Söldner mit der Parierstange am Kiefer. Sein Straucheln war eine Finte gewesen! Jada atmete auf. Al-Munahids Schwäche dagegen war nicht gespielt. Er schwankte zurück, für einen Herzschlag blind von Schmerz und Tränen, die ihm in die Augen schossen. Als er noch um sein Gleichgewicht rang, fuhr Raouls Schwert ihm in die Seite, schlitzte das Panzerhemd auf, durchtrennte Muskeln, zersplitterte Knochen. Blut quoll hervor und spritzte auf den Boden. Viel zu spät hob er seine Klinge, um den Schlag abzuwehren; dann entglitt die Waffe seinen Fingern und fiel in die Zisterne. Seine Beine gaben nach, er taumelte gegen die Hauswand, suchte vergeblich nach Halt und brach zusammen.
Kein Triumphschrei kam über Raouls Lippen. Schwer atmend
stand er da, mit hängenden Armen, und blickte auf den sterbenden Söldner hinab. Jada war zu aufgewühlt, um etwas anderes als dumpfe Erleichterung zu empfinden. Ihre Gedanken galten allein dem Zepter. Sie musste es in Sicherheit bringen, fort von diesem Ort, fort von den anderen Söldnern.
Sie wartete nicht auf Raoul und hetzte Richtung Tor. Als er etwas hinterherrief, wirbelte sie herum. Der Mongole stand vor dem Turm, in dem noch immer gekämpft wurde, in den Händen der gespannte Reiterbogen. Er zielte auf sie, doch bevor er schießen konnte, sprang Raoul von der Rampe und stürmte auf ihn zu. Der Mongole schwenkte den Bogen herum. Mit einem sirrenden Laut flog der Pfeil von der Sehne. Raoul schlug einen Haken, aber der Mongole war ein geübter Schütze und hatte die Bewegung vorausgesehen. Der Ritter wurde in die Brust getroffen. Die Wucht riss ihn herum, und er stürzte zu Boden.
»Raoul!«, schrie Jada.
Seine Hand umklammerte den gefiederten Schaft und erschlaffte. Raoul regte sich nicht mehr.
Ich muss zu ihm!, war ihr einziger Gedanke, ihn heilen!
Der Mongole zog keinen weiteren Pfeil aus dem Köcher. Al-Munahid hatte ihn mit schwacher Stimme gerufen, und er humpelte zu ihm auf die Rampe.
Gerade als Jada loslaufen wollte, nahm sie eine Bewegung in den Augenwinkeln wahr: Reiter kamen den Pfad zum Festungstor herauf, Bewaffnete. An ihrer Spitze ritt ein stämmiger Mann, dessen Gesicht im Schatten einer Kapuze verborgen war. Der Mann neben ihm war klein und schmächtig, und sein krauses, kohlschwarzes Haar wippte auf und ab.
Gaspare, dachte Jada. Also hat er uns gefunden. Nun bereute sie, dass sie ihn nicht getötet hatten, als sich ihnen die Gelegenheit dazu geboten hatte.
Sie schaute zu Raoul, dann wieder zu den Reitern. Die Männer befanden sich auf der Hälfte des Wegs und hatten noch einige Kurven vor sich. Bis sie das Tor erreichten, blieb Jada
ausreichend Zeit, Raoul zu heilen. Aber dann war es für eine Flucht zu spät.
Ihr Blick wanderte über die Felsen jenseits der Wehrmauer. Noch konnte sie die Festung verlassen und sich draußen verstecken,
Weitere Kostenlose Bücher