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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Raoul und ibn-Marzuq um. »Er bittet uns um seinen Tod«, sagte sie.
    Raoul hörte die unausgesprochene Frage. Es muss einen anderen Weg geben!, dachte er und überlegte, den Mann hierzulassen
und später mit dem Zepter zurückzukehren. Aber wenn sie ihn heilten, würde einer von ihnen so erschöpft sein, dass er die Festung womöglich nicht mehr aus eigener Kraft verlassen konnte. Das war ein zu großes Wagnis.
    Raoul nickte langsam.
    Jada nahm ihren Dolch.
    Ibn-Marzuq wandte sich ab, ehe sie dem Mann seinen Wunsch erfüllte.
    Sie alle verspürten den Drang, die Turmkammer mit den beiden Leichen so rasch wie möglich zu verlassen, und so öffnete Raoul die Tür zum Haupthaus. Ein schmaler, gebogener Gang innerhalb der Festungsmauer erstreckte sich vor ihm; Dämmerlicht fiel durch die Schießscharten, die auf einen felsigen Steilhang wiesen. Es folgte noch eine Tür, ein weiterer Flur, dann betraten sie den Saal unter der hohen Kuppel.
    Ibn-Marzuq runzelte die Stirn, als er zu den Balustraden und Seidenvorhängen aufsah. »Ich weiß nicht, was sich dieser al-Tufail hat zu Schulden kommen lassen«, murmelte er. »Aber allein für diese billige Nachbildung sollte man ihm den Kopf abschlagen.«
    Raoul beachtete ihn nicht. Er trat in die Mitte des Saales und sah sich um, entdeckte zwischen den Schleiern und Schilfwänden eine halb offene Tür, die zu dem Zimmer mit den Lilienfenstern führen musste. Als er darauf zuging, bemerkte er schwachen Fackelschein - und einen Geruch, der ihn an seinen eigenen Atem erinnerte, wenn er nach einer Nacht voller Albträume aufwachte, nur tausend Mal stärker. Es war der Gestank eines Mannes, der verfiel, der starb. Aber da war noch etwas anderes, schwach nur, aber klar zu unterscheiden: der Geruch von Blut.
    Er schob die Tür ganz auf - und erblickte al-Munahid.
    Der Söldner kauerte neben einem länglichen Bündel, das Raoul wegen all des Unrats auf dem Boden erst auf den zweiten Blick erkannte: ein regloser Körper. Al-Munahid kniete dort, wo sich Dämmerlicht und Fackelschein mischten, eine dunkle
Form mit hängendem Kopf und durchgebogenem Rücken, der leicht zitterte.
    Er drehte den Kopf ins Licht. Seine Wangen glänzten feucht.
    »Noch nie hat mich ein Mann weinen sehen. Seltsam, dass ausgerechnet du der erste bist, Christ.« Keine Überraschung, nicht einmal Verwunderung, kein Hass, keine Furcht - nur dieser eine Satz.
    Raoul blickte kurz über die Schulter. Jada war verschwunden. Er wusste, dass sie sich versteckt hatte - nicht aus Feigheit, sondern um ihnen einen Vorteil zu verschaffen. »Gib mir das Zepter«, sagte er.
    »Es ist hier.« Al-Munahid stand auf. Blut tränkte seinen Waffenrock in Form einer vielfingrigen Hand. Das Zepter steckte hinter seinem Gürtel, verhüllt von einem Beutel.
    »Gib es mir.«
    Der Söldner bewegte sich nicht von der Stelle. Seine Schultern hingen herab. Er wirkte müde. »Wozu, Christ? Was hat man dir dafür versprochen? Gold? Hier ist mehr Gold, als du tragen kannst. Nimm alles. Oder suchst du seine heilende Kraft? Ein Wort von dir genügt, und ich heile dich von allen Leiden.«
    »Ich will es nicht für mich«, sagte Raoul.
    »Dann müssen wir wohl darum kämpfen.« Al-Munahid zog sein Schwert und kam ihm näher. Raoul machte keine Anstalten, den Zweikampf zu eröffnen, denn er wollte, dass der Söldner aus dem Gemach heraustrat. Langsam ging er rückwärts.
    Al-Munahid schien seine Absicht zu durchschauen, denn er blieb im Türbogen stehen und suchte den Saal nach verborgenen Gegnern ab. Schließlich entdeckte er den Wesir, der immer noch an der gegenüberliegenden Tür stand, und seine Mundwinkel zuckten. »Ibn-Marzuq«, sagte er, »wie schön, Euch wiederzusehen.«
    Raoul hörte nicht, ob der Wesir etwas erwiderte, denn der
Angriff kam plötzlich und heftig. Er riss seine Klinge hoch und wehrte drei, vier Hiebe ab, die auf sein Gesicht zielten. Falls al-Munahid wirklich müde und voller Trauer war, so wirkte es sich nicht auf seine Stärke und Schnelligkeit aus. Raoul riss einen Wandbehang herunter. Al-Munahid verhedderte sich darin, und Raoul gelang es, sich in die Mitte des Saals zurückzuziehen.
    Ihm kamen die Worte in den Sinn, die der Söldner bei ihrem Kampf in Konstantinopel zu ihm gesagt und über die er seitdem hundert Mal nachgedacht hatte: Ich kenne wenig Männer, die so gut kämpfen wie du. Trotzdem wirst du wieder verlieren. - Weil du kämpfst wie ein Edelmann.
    Diesmal nicht, sagte er sich. Diesmal kämpfe ich wie

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