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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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er.
     
    Unardhu war sich nicht sicher, ob er wirklich etwas gesehen hatte; das Turmfenster in seinem Rücken wies auf den Hof, aber der Winkel war ungünstig: zwei oder drei Gestalten, die am Kuppelbau entlang zum hinteren Turm liefen. Waren ihnen einige Krieger der Festungsbesatzung durch die Lappen gegangen? Falls ja, so wäre es jetzt Najibs Aufgabe gewesen, den aqid zu warnen. Aber Unardhu wusste, wie unzuverlässig der Bengel war. Leider konnte er das Tor von hier oben aus nicht sehen. Möglich, dass Najib sich wieder irgendwo herumtrieb und eine Ratte quälte, anstatt das zu tun, was der aqid ihm befohlen hatte.
    Akif, Bishr und zwei Beduinen schwangen eine schwere Bank und ließen sie gegen die Tür krachen. Die Männer, die sich auf der anderen Seite gegen das Holz stemmten, stöhnten auf. Sie waren nur noch zu zweit. Die Übrigen hatten sie schon weiter unten erwischt, und der, der sich in die Turmkammer zurückgezogen hatte, blutete wie ein angestochenes Kalb, unfähig, noch ein Schwert zu schwingen.
    Unardhu entschied, dass die anderen ihn nicht brauchten, schob sein Schwert in die Scheide und griff nach seinem Bogen. Als er sich zur Treppe umwandte, fragte Rafiq: »Was machst du?«

    »Der aqid braucht Hilfe.« Dem Nubier reichte die Erklärung, und er drehte sich wieder zur Tür um, die gerade unter einem neuerlichen Stoß erbebte. Er wusste, dass sich Unardhu nur aus einem Gefecht zurückzog, wenn es gute Gründe gab.
    Hinkend legte der Mongole die ersten Stufen zurück. Einer der Hurensöhne hatte ihn am Unterschenkel erwischt. Er glaubte nicht, dass eine Sehne oder gar der Knochen verletzt war, aber die Schmerzen machten ihm doch zu schaffen.
    Auf dem Treppenabsatz im nächsten Geschoss musste er eine kurze Pause einlegen. Unardhu nutzte die Gelegenheit, aus dem Fenster zum Haupthaus zu blicken: niemand zu sehen, alles still. Doch sein Gefühl sagte ihm, dass der aqid in Gefahr war.
    Vielleicht wäre es besser gewesen, Rafiq zu schicken, dachte er; aber jetzt wollte er nicht mehr umkehren. Er biss die Zähne zusammen und setzte seinen Weg fort.
    Schritt für Schritt, Stufe für Stufe.
     
    Jada verbarg sich hinter einem geschnitzten Wandschirm und wartete auf eine Gelegenheit, al-Munahid anzugreifen. Doch der Söldner kehrte ihr nie den Rücken zu - als spüre er ihre Anwesenheit.
    Seit mehreren Minuten schon erfüllte das Klirren der Schwerter den Saal. Keiner der beiden Kämpfer hatte dem anderen auch nur eine Schramme zufügen können. Raoul war nach einer Reihe von beherzten, aber fruchtlosen Angriffen ins Hintertreffen geraten. Jetzt versuchte er einen seitlichen Hieb gegen al-Munahids linken Arm, aber er erreichte nur, dass der Söldner ihn beinahe entwaffnete. Er nahm sein Schwert in beide Hände und wehrte einen Stoß gegen seinen Kopf ab.
    Er schafft es nicht allein; ich muss etwas unternehmen!, dachte Jada. Geduckt hastete sie hinter den Schilfwänden zum anderen Ende des Saals, wo sich ibn-Marzuq aufhielt. Der stand immer noch wie angewurzelt neben dem Eingang. Al-Munahid
schien erkannt zu haben, dass keine Gefahr von dem Wesir ausging, denn er machte sich nicht einmal die Mühe, ihn im Auge zu behalten.
    Jada duckte sich hinter eine große Zedernholztruhe und winkte, bis ibn-Marzuq endlich zu ihr blickte. Hilf ihm!, formte sie stumm mit den Lippen. Lenk al-Munahid ab. Nimm die Amphore neben dir und wirf sie ihm zwischen die Beine!
    Der Gelehrte antwortete mit verständnislosem Blick.
    Die Amphore, du Narr! Sie untermalte ihren lautlosen Hilferuf mit Gesten, doch ibn-Marzuq runzelte nur die Stirn. Sie gab es auf und sank hinter der Truhe zusammen.
    Djinn konnten nicht weinen; aber wäre Jada ein Mensch gewesen, so hätte sie es jetzt getan. Sie war unehrlich und grausam zu Raoul gewesen, und jetzt starb er vielleicht. Ihn zurückzuweisen war ihr der einzige Ausweg aus einem Labyrinth erschienen, das sie selbst geschaffen hatte, dennoch hasste sie sich dafür. Sie konnte das Vergangene nicht mehr ungeschehen machen - aber sie konnte dafür sorgen, dass er nicht allein kämpfte.
    Jada zog ihren Dolch und rannte auf die Kämpfenden zu.
    Ihr Erscheinen überraschte al-Munahid. Er fuhr zu ihr herum, und seine freie Hand hielt das Zepter fest, das locker hinter seinem Gürtel saß. Raoul nutzte die Gelegenheit für eine Serie von ungenauen, aber heftigen Streichen. Der Söldner bewältigte sie mühelos, musste jedoch einige Schritte zurückweichen, stolperte über eine umgestürzte Stellwand und

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