Der Gesandte des Papstes
inneren Hofs wartete. Als sich die vier Träger in
Bewegung setzten, kam ihm die Idee zu einem neuen Gedicht, einem Versepos über die Suche nach dem Zepter Suleymans, eine Suche bis ans Ende der Welt. Hastig holte er Pergament und Kohlestift hervor und begann mit den ersten Notizen.
Es würde gut werden, wusste er, doch glauben würde ihm niemand.
Aber was spielte das schon für eine Rolle?
EPILOG
Ägypten, Herbst 1303
D ie letzten Menschen hatten sie vor zwei Tagen gesehen, Fischer auf dem Nil, die den beiden Reitern am Ufer fröhlich zuriefen. Das letzte Grün war vor einem Tag verschwunden. An der letzten Wasserstelle, einem ummauerten, halb versandeten Brunnen, waren sie am Morgen vorbeigekommen. Nun lagen nur noch Sand und Felsen vor ihnen: endloses, ockerfarbenes Land ohne Gras, Büsche und Tiere, in dem der einzige Laut das Heulen des Windes war, der unaufhörlich an ihren Umhängen zerrte.
Es war Oktober, aber die Sonne brannte heißer als am heißesten Tag in seiner Heimat, an den Raoul sich erinnern konnte. Noch vor wenigen Monaten hätte er nicht gedacht, dass in solch einer Gegend Leben möglich war. Doch jetzt wusste er es besser. Er zog die Kapuze des Burnus, des Beduinengewands, nach vorn, damit sein Gesicht im Schatten lag, und lenkte sein Pferd die Anhöhe hinauf, wo Jada angehalten hatte. In den letzten Stunden war sie immer schneller geritten, als würde eine Kraft, die nur sie spürte, sie zum Mittelpunkt der Wüste ziehen.
Raoul hielt sein Pferd neben ihrem an. »Wie weit ist es noch?«
»Nicht mehr weit«, antwortete sie. »Mein Dorf ist ganz in der Nähe.«
Er blickte über die Dünen und die rostfarbenen Felsen, die sich langgezogen am Horizont auftürmten wie ein natürlicher Grenzwall. »Ich sehe gar nichts.«
Jada lächelte. »Das sollst du auch nicht.« Ihr Lächeln schwand, und als sie den Blick senkte, bemerkte er den Gegenstand in ihren Händen: den Schaft des Zepters, die Überreste des Wunderdings, dem Raoul sein Leben verdankte.
»Wie wird dein Volk reagieren, wenn es von der Zerstörung des Zepters erfährt?« Er stellte ihr diese Frage zum ersten Mal. Während der letzten Wochen hatte die stillschweigende Vereinbarung bestanden, nicht über das zu sprechen, was sie am Ende ihrer Reise erwartete. Raoul hatte gespürt, dass sie sich vor diesem Augenblick fürchtete.
»Sie haben es bereits erfahren. Es kann unseren Sehern nicht entgangen sein.« Jada machte eine Pause und blickte über das Dünenmeer. »Ich weiß es nicht. Vielleicht sind sie dankbar, dass ich den Mut hatte, das zu tun, was sie nie gewagt haben.«
Und wenn nicht?, dachte Raoul. Was, wenn sie dich dafür hassen? Das Zepter war der Fluch der Djinn, aber auch ihr größter Schatz. Warum sonst hatten sie es über tausend Jahre aufbewahrt, anstatt es zu zerstören? Doch er sprach seine Befürchtung nicht aus. Jada wusste selbst, dass vielleicht eine Strafe auf sie wartete, die noch härter war als das, was man ihr vor tausend Jahren angetan hatte.
»Den Rest gehe ich zu Fuß«, sagte sie und stieg ab.
Das war das Zeichen, dass er nicht weiter durfte. Die Djinn würden nicht zulassen, dass ein Mensch in die Nähe eines ihrer Dörfer kam. Er stieg aus dem Sattel und nahm das Pferd an den Zügeln. Jada strich ihrem Tier über die Mähne, den Hals.
»Kümmere dich um ihn«, sagte sie. »Ein besseres Pferd wirst du nicht finden.«
Sie standen sich gegenüber. Jada hob die Hand und berührte mit den Fingerkuppen seine Wange, und das Licht in ihren Smaragdaugen flackerte. Worte waren nicht nötig. Die letzten Wochen waren ihr Abschied gewesen, jeder Tag ein bisschen mehr als der vorherige. Dann wandte sie sich von Raoul ab und durchquerte das weite Dünental.
Raoul sah ihr nach und beobachtete, wie sie immer kleiner wurde. Auf der Düne vor ihr erschienen Gestalten, die in der heißen Luft flimmerten. Raoul hielt sie für eine Erscheinung wie im Amanusgebirge und in Nordsyrien, doch dann erkannte er, dass er sich getäuscht hatte.
Es waren Djinn. Sie hatten Jadas Rückkehr vorausgesehen.
Die beiden Pferde wurden unruhig. Raoul befestigte das Zaumzeug von Jadas Hengst an seinem Sattel. »Kommt. Das geht uns nichts mehr an.« Er nahm die Zügel und führte die Tiere von der Anhöhe in die Talsohle. Dort stieg er auf und ritt den Weg zurück, den sie gekommen waren.
Bei Einbruch der Dunkelheit erreichte er den alten Brunnen. Er versorgte die Pferde, entzündete ein Feuer, aß und legte sich, als es immer
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