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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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warten musste, wenn er den Jungen einschüchterte. Er zwang sich zur Geduld und wartete, bis Marco weiterredete.
    »Bonifatius ist nicht mehr Papst«, sagte der Diener leise und bekreuzigte sich. »Er ist tot, Eminenz.«
    Der Heilige Vater, das Oberhaupt der römischen Kirche, der unbeugsame Benedetto Caetani … tot. Morra fühlte sich wieder so schwach wie auf dem Krankenlager in Aleppo. Er dachte an seinen Traum in der mongolischen Festung in Armenien, in dem er durch die menschenleeren Gänge des Lateranpalasts gewandert war und nur Verfall und Tod gesehen hatte. Das ist deine Schuld, hatten die Geister gewispert, du hättest es verhindern können. »Wann?«, fragte er mit brüchiger Stimme. »Wann ist es geschehen?«
    »Vor zwei Wochen. Er hatte sich nach Anagni zurückgezogen, wo er sich sicher vor weiteren Anschlägen fühlte. Aber es half nichts. Die Männer von König Philipp fanden ihn.«
    Der Boden schien zu schwanken. Du hättest es verhindern können!, flüsterte es in ihm, du, du, du allein! Er durfte sich seine Schwäche nicht anmerken lassen. Nicht hier draußen vor den Dienern und halb Rom. Morra hob sein Kinn. »Wer ist sein Nachfolger?«
    »Benedikt XI., Eminenz.«
    »Der weltliche Name, Dummkopf!«
    Marco zuckte zusammen. »Nikolaus Boccasini«, murmelte er.
    Der Kardinalbischof von Ostia - ein Günstling Philipps, natürlich. Morra nickte und wandte sich zum Gehen. »Ich bin in meinen Gemächern. Richte mir Unterkleider und meine Soutane.«
    Als er auf dem Innenhof war, rief der Junge zögerlich: »Eminenz!«

    Morra wandte sich zu ihm um. Marco hatte sich nicht von der Stelle bewegt.
    »Was ist damit?« Er wies auf die Ochsenkarren.
    »Ich habe dir doch eine Anweisung erteilt«, erwiderte Morra.
    Marco rührte sich noch immer nicht. »Gewiss«, sagte er schließlich, lief zu dem Eingang, in dem die Männer mit der Bank verschwunden waren.
    Morra erwartete den Boten in seinem Arbeitszimmer, an dem mächtigen Schreibtisch, an dem er so viele Jahre gesessen, in der Soutane, die er so viele Jahre getragen hatte. Er ließ nicht lange auf sich warten - Morras Rückkehr war trotz seines unauffälligen Aufzugs nicht lange unbemerkt geblieben, und auf die schnelle Verbreitung von Neuigkeiten war in der Ewigen Stadt stets Verlass. Marco begleitete den Boten herein, als sich der Abend über Rom senkte.
    Der Mann verneigte sich. »Der Heilige Vater, Benedikt XI., erwartet Euch im Lateranpalast, Herr.«
    Morra entging weder die ausdrückliche Erwähnung des päpstlichen Namens noch der Verzicht auf seinen Titel bei der Anrede. Er stand auf. »Marco, lass die Kutsche bereit machen.«
    Der Bote verneigte sich erneut. »Das ist nicht nötig. Der Heilige Vater hat Euch seinen eigenen Zweispänner gesandt.«
    Ein weiteres Zeichen, wer die Fäden in der Hand hielt. »Der Heilige Vater ist sehr zuvorkommend«, sagte Morra nur und ging mit dem Boten in den Hof.
    Während der Fahrt schwieg der Bote gelangweilt - vermutlich entsprach auch das den Anweisungen, die er bekommen hatte. Morra stieg aus und ging allein, ohne die Begleitung von Bediensteten, durch den Palast … beinahe wie in seinem Traum. Er begab sich zum großen Saal, wo Besucher des Lateranpalasts üblicherweise empfangen wurden. Denn nichts anderes war er jetzt: ein Besucher.
    Auf dem Thron, den Bonifatius mit seinem massigen Leib gänzlich ausgefüllt hatte, saß ein mittelgroßer, dürrer Mann
von etwa sechzig Jahren, dessen Gesicht man sofort wieder vergessen hätte, wenn die stechenden Augen nicht gewesen wären: Nikolaus Boccasini, der Kardinalbischof von Ostia … das neue Oberhaupt der Kurie, rief Morra sich ins Gedächtnis. Er verneigte sich tief und blieb jenseits der erdachten Linie, die die beiden Lanzenträger vor dem Thron bildeten, stehen.
    »Morra«, sagte Papst Benedikt. »Ihr wart der Vertraute meines Vorgängers und habt Euch im Kampf gegen die Pest der Häresie hervorgetan. Dafür gebühren Euch Dank und Respekt der Kurie. Gleichwohl habt Ihr Bonifatius’ unselige Politik mitgetragen, die Unsere Heilige Kirche vom bedeutendsten Herrscher der Christenheit entfernt hat. Eine Politik, die Wir nicht fortzusetzen gedenken.«
    Morra hatte keine Zeit gehabt, sich mit den Umständen von Benedikts Wahl vertraut zu machen. Jetzt bestätigte sich, was er befürchtet hatte: Boccasini war nicht nur ein Anhänger König Philipps, er war dessen Werkzeug. Das kann nicht der Wille des Herrn sein, dachte er und versuchte, seine Verbitterung zu

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