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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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dass der Bischof gebildet genug war, die Geschichte zu kennen. »Über ihre Erfahrungen aus dieser schweren Zeit zu lesen, wäre für uns von unschätzbarem Wert.«
    »Ich verstehe Euren Wunsch. Aber Athanasios’ Aufzeichnungen befinden sich nicht im Besitz der Kirche von Konstantinopel. Ich fürchte, Ihr müsst Euch an Rom wenden.«
    Diese Antwort hatte ibn-Marzuq befürchtet. Und der Bischof hatte keinen Grund, ihn anzulügen. »Meine Gemeinde ist arm. Eine weitere Reise können wir uns nicht leisten. Ich hörte, einige der Schriften aus dem Blachernenpalast wurden vor der Plünderung an einen geheimen Ort gebracht.«
    »Ich kenne die Geschichte. Leider ist der einzige Mann, der möglicherweise weiß, wo der Ort ist, nicht bereit, sein Wissen mit anderen zu teilen.«
    Ibn-Marzuq spürte sein Herz schneller klopfen. Seit einer Woche erntete er nichts als ahnungsloses Kopfschütteln. Der Bischof schien allerdings mehr zu wissen. »Wer ist dieser Mann?«
    Zum ersten Mal flackerte in den Augen seines Gegenübers eine Regung auf, Ärger. »Ein reicher genuesischer Edelmann. Er besitzt die zweitgrößte Büchersammlung in Konstantinopel. Wir vermuten schon lange, dass er weiß, wo die verschollenen Schriften sind.«
    »Wo finde ich ihn?«, fragte ibn-Marzuq.
    »Er wohnt in Galata. Aber ihn aufzusuchen ist die Mühe
nicht wert. Der Mann weigert sich beharrlich, das Versteck preiszugeben.«
    »Bitte, nennt mir trotzdem seinen Namen.« Ibn-Marzuq lehnte sich zurück und berührte das silberne Kreuz an seinem Hals, das er in einem Tandladen am Forum Theodosius gekauft hatte. »Vielleicht lässt er sich von der demütigen Bitte eines in Not geratenen Bruders erweichen.«

ZEHN
     
     
    D er Wasserschlauch lag auf der anderen Seite des niedergebrannten Feuers und war doch unerreichbar fern.
    Sei kein Narr. Nichts ist unerreichbar. Raoul fixierte die prallgefüllte Ziegenblase in der Hoffnung, allein die Kraft seines Willens würde ausreichen, sie herzubewegen. Dann stemmte er sich mit beiden Armen hoch. Im Gegensatz zu seinen Beinen schmerzten sie kaum; trotzdem knickten sie fast ein, ehe er sich in eine kniende Position gebracht hatte. Er blinzelte, bis das Flimmern vor seinen Augen vergangen war.
    Aufstehen. Du musst aufstehen.
    Wie durch ein Wunder schaffte er es beim ersten Versuch. Als er nicht mehr fürchten musste, vom Schwindelgefühl um sein Gleichgewicht gebracht zu werden, setzte er einen Fuß vor den anderen. Die Nächte waren kalt, deshalb hatte er in Stiefel und Kleidung geschlafen. Wams und Hose klebten an seinem Körper, ein sicheres Anzeichen für lebhafte Träume, an die er sich nicht erinnern konnte - was vermutlich ein großes Glück war.
    Seit Akkon kannte er nur noch zwei Zustände nach dem Aufwachen. Der erste zeichnete sich durch Durst aus, ein brennendes Verlangen nach Wasser, damit sich seine Zunge nicht mehr wie ein in Sand gehülltes Fleischstück anfühlte. Der zweite, schlimmere Zustand bestand in einem Ekel erregenden Geschmack im Mund. Nach Blut und … Fäulnis. Heute war der zweite Zustand an der Reihe. Raoul konnte förmlich schmecken, wie er innerlich verrottete.
    Endlich hatte er die Grube voller Asche und verkohlten Holzresten umrundet, griff nach dem Schlauch und trank. Das kalte
Wasser löste einen kurzen Husten aus, aber das war es wert, solange nur der Geschmack verschwand. Als er den Schlauch absetzte, bemerkte er, dass Gaspare ihn ansah. Der Toskaner war nicht eben erst aufgewacht, denn er hatte sich unter seiner Decke aufgesetzt und beobachtete Raoul aus Augen, die nicht schlaftrunken wirkten.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Ja. Ich hatte nur Durst.« Unwillkürlich blickte Raoul zu Battista. Es war der seltene Fall eingetreten, dass der Hüne länger schlief als sie. Raoul dankte dem Herrn, dass Battista nicht gesehen hatte, wie viel Kraft es ihn kostete, zum Wasserschlauch zu gelangen.
    »Ich auch. Gib her.« Gaspare streckte die Hände aus und fing den Schlauch, den Raoul ihm zuwarf.
    Raoul ließ sich auf dem flachen, keilförmigen Felsen nieder, der ihr Lager an einer Seite begrenzte, wühlte in seinem Gepäck und brachte eine trockene Brotkante zum Vorschein. Er hatte keinen Hunger, aber Gaspare wäre beunruhigt, wenn er nichts aß.
    »Wirf es weg«, sagte der Toskaner. »Wir haben uns was Besseres verdient.« Er schlug seine Decke zur Seite und leerte den Inhalt seines Rucksacks neben der Feuerstelle aus. Während Raoul seine Decke zusammenrollte, suchte Gaspare die

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