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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Lakapenos’ Leibdiener, der ihm stets die Hand zwischen die Schulterblätter gelegt hatte. Dann verlor Lakapenos sein Gefallen an ihm, denn er hatte einen neuen Sklaven erworben, einen Jungen aus Libyen, der nicht so hohlwangig und hässlich wie er selbst gewesen war.
    Kadar lächelte wieder. Seit jenem Tag hatte er es nie mehr bedauert, nicht wie seine Schwester Nadirah mit einem engelsgleichen Gesicht auf die Welt gekommen zu sein.
    Eine Tür knarrte. Mit der fließenden Bewegung eines Schattens schob sich Kadar in einen abzweigenden Flur und presste sich mit dem Rücken gegen die Wand. Er hörte schlurfende, unregelmäßige Schritte näher kommen. Eine massige Gestalt humpelte an ihm vorbei, in der Hand einen Nachttopf.
    Kadar erkannte ihn sofort. Der Kerl musste inzwischen fünfundvierzig Jahre alt sein, und Kadar hätte sich nie erträumt, ihn
hier noch anzutreffen. Er trat aus seinem Versteck. »Dein Knie macht dir also immer noch zu schaffen, Alexios.«
    Die Gestalt wirbelte herum, und der Nachttopf zersplitterte auf dem Boden. »Wer zur Hölle …« Alexios erstarrte, als Kadar näher kam und er dessen Gesicht im Mondlicht erblickte. »Du.«
    »Wie schön, dass du dich erinnerst. Es wundert mich, dass der alte Hurenbock einen Krüppel wie dich nicht längst zum Teufel geschickt hat. Hatte er etwa Mitleid mit dir?«
    Der Hüne hatte sich nur einen Herzschlag später wieder in der Gewalt und blickte Kadar lauernd an. »Was willst du?«
    »Ich denke, das weißt du«, erwiderte der Söldner. Alexios’ Schweiß roch nach Wein. Alles deutete darauf hin, dass er die letzten neunzehn Jahre meist in Gegenwart einer Amphore verbracht hatte. Das Gesicht war in der Dunkelheit nicht zu sehen, aber Kadar schätzte, dass es genauso aufgedunsen war wie der Rest des Mannes. »Wo ist dein Bruder?«
    »Das geht dich einen Dreck an. Verschwinde, oder ich rufe die Stadtwache.«
    Kadar lachte leise. »Allmächtiger, der starke Alexios ruft nach der Wache. Was ist los mit dir? Hat dich dein Mut verlassen, als du zum Krüppel wurdest?«
    Alexios’ Körper spannte sich an. »Weißt du, dass ich mir gewünscht habe, dass du zurückkommst? Neunzehn Jahre lang hab ich mir das gewünscht, du hässlicher Sohn einer Hure. Dieses Mal lasse ich dich grunzen wie eine Sau.«
    Der Hüne war nicht nur fett geworden, sondern auch langsam. Bevor er Kadar ergreifen konnte, sprang der Söldner nach vorne, packte ihn an den Haaren und riss seinen Kopf nach unten. Alexios stöhnte nur dumpf, als ihm das Knie die Nase zerschmetterte. Er sackte zusammen, während das Blut zu beiden Seiten seines Munds herauslief. Kadar zog sein Messer mit einer einzigen Bewegung durch, und in der Kehle des Thrakers öffnete sich ein Spalt. Als Alexios zur Seite kippte, stellte ihm
der Söldner einen Stiefel auf die Schläfe. Blut vermengte sich mit dem Urin aus dem Nachttopf.
    »Schnelligkeit ist wichtiger als Größe und Kraft. Schnelligkeit und der Wille zu siegen. Du hast mir diese Lektion erteilt, Alexios, erinnerst du dich? Unten im Hof, als du schon einmal in deinem Blut lagst. Wie dumm von dir, denselben Fehler zweimal zu machen.«
    Alexios’ Mund öffnete sich wie bei einem gestrandeten Fisch. Es kam kein Laut heraus. Schließlich hörten seine Gliedmaßen auf zu zucken, und das Licht in seinen Augen erlosch. Kadar drehte ihn mit dem Stiefel auf den Rücken. Regungen, die über Hunger, Durst, Müdigkeit, das gelegentliche Verlangen nach einer Frau und das Gefühl des Triumphes nach einem siegreichen Kampf hinausgingen, waren ihm fremd. Aber beim Anblick des leblosen Alexios überkam ihn eine jähe, rauschartige Freude, die sein Herz wild zum Pochen brachte und ihn seine Umgebung mit ungekannter Klarheit wahrnehmen ließ. Alles war plötzlich neu und schön: das Mondlicht, der Mosaikboden, sogar der Geruch des Blutes.
    In seinem Kampfrausch bemerkte er die andere Gestalt erst, als sie fortlief. Innerhalb eines halben Herzschlags kam er wieder zu sich und schleuderte den Dolch. Die Gestalt fiel keuchend zu Boden. Kadar hastete den Gang entlang, dann stand er über dem Verletzten und zog sein Messer heraus. Er hatte ihn zwischen den Schulterblättern getroffen. Er kannte den Mann nicht, vielmehr den Knaben von höchstens sechzehn Jahren. Der Junge bewegte sich, versuchte, fortzukriechen, aber Kadar sah auf einen Blick, dass sein Opfer keine zwei Schritte weit kommen würde. Er ließ ihn liegen und stieß die Türen zu den angrenzenden Räumen auf. Er kümmerte

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