Der Gesandte des Papstes
besser auf das Wohlwollen des Sultans hätte verzichten und Abdul ed-Din diesen Auftrag überlassen sollen.
Er ging über die verkommene Prunkstraße zurück, die sich zwischen der Landmauer und dem Forum Theodosius erstreckte. Dort, zwischen den zahllosen Kirchen und den Menschen in ihren bunten, fremdartigen Kleidern, wurde ihm zum ersten Mal bewusst, wie fremd er in dieser Stadt der Christen war.
Ha, Stadt! Eher ein Mausoleum. Ein einziges, gewaltiges Grabmal, auch wenn die Leute hier es noch nicht wissen.
Er nahm sich vor, zu Hause in Kairo ein Gedicht darüber zu schreiben. O Byzanz, du vergehende Narzisse …
Als er bei ihrer Herberge im Hafenviertel ankam, war es bereits dunkel. Die Söldner, die betrunken im Schankraum grölten, waren schon von weitem zu hören. Ibn-Marzuq hoffte, dass ihn der Lärm nicht beim Nachdenken und Schlafen störte. Denn beides war dringend notwendig, wenn sein Auftrag nicht hier und heute zu Ende sein sollte.
Zu seiner Überraschung kam ihm auf der Straße al-Munahid entgegen. Der Söldner schien das Gebäude durch einen Seiteneingang verlassen zu haben, denn die Tür zum Schankraum hatte sich nicht geöffnet. »Wohin geht Ihr?«, fragte ibn-Marzuq argwöhnisch.
»Einen alten Freund besuchen.« Al-Munahid lächelte dünn und verschwand in der Dunkelheit.
Sein Weg führte durch derart schmale Gassen, dass seine Schultern beinahe die Wände berührten, weiter durch zerfallene
Häuser, Tunnel und stillgelegte Abwassergräben. Die Straßen des Hafenviertels mied al-Munahid, denn niemand sollte sich später an ihn erinnern können. Er hatte den Weg vorher nur einmal ausgekundschaftet, bei Sonnenuntergang, und obwohl er diesen Teil der Stadt kaum kannte, war sein Gedächtnis in solchen Dingen so geübt, dass er ihn jetzt, trotz der Dunkelheit, mühelos wiederfand.
Er endete in einer Gasse neben einem Badehaus aus roten Ziegelsteinen. Moosbewachsene Rohre ragten aus der Mauer. Es roch nach fauligem Wasser.
In der gegenüberliegenden Wand befand sich die Küchenpforte.
Der Platz vor Lakapenos’ Haus war menschenleer, die Häuser dunkel. Die Ladenbesitzer waren ehrbare Leute, die zu dieser Stunde längst in ihren Betten lagen. Als er Schritte und ein leises Gespräch hörte, drückte sich Kadar an die Mauer. Zwei Gestalten überquerten den Platz. Er sah Lanzenschäfte und hörte das Klirren von Panzerhemden: Soldaten der Stadtgarde. Er wartete, bis sich die Wache entfernt hatte, und legte seine Hand auf den Türknauf.
Er lächelte, als die Pforte sich geräuschlos öffnete. Lakapenos enttäuschte ihn nicht.
In der Küche roch es nach kaltem Bratenfett. Kadar schloss die Tür hinter sich und folgte dem Flur. Früher hatte Lakapenos’ Sicherheit in den Händen der Zwillinge Alexios und Simeon gelegen, seinen Leibwächtern aus Thrakien. Simeon war nur noch ein Schatten in seiner Erinnerung; denn der schweigsame Mann hatte die Sklaven des Hauses nicht beachtet. Sein Bruder dagegen hatte es genossen, sie zu quälen, wenn sein Herr gerade nicht hinsah. Kadar erinnerte sich, wie Alexios ihn eines Abends im Genick gepackt und sein Gesicht in den Eimer mit den Speiseresten gedrückt hatte, weil er sich weigerte, nackt und auf allen vieren vor ihm auf und ab zu kriechen und wie ein Schwein zu grunzen. In der Nacht seiner Flucht hatte er
dem Thrakier zum Abschied sein Messer in die Kniekehle gestoßen. In den zahllosen Nächten danach, wenn er aus Furcht vor neuen Träumen nicht schlafen konnte, hatte er sich an Alexios’ Schreie erinnert. Hoch und schrill hatte der Hüne geschrien, während er sich in seinem Blut wälzte. Wie ein Eunuch, der noch seine Zunge besaß. Für Kadar war es wie Musik gewesen, die die Träume vertrieb und den Schlaf brachte.
Erneut war die Zeit gekommen, Träume zu vertreiben. Kadar zog seinen Dolch und betrat den Innenhof. Im Mondlicht konnte er erkennen, dass das Anwesen in einem schlechten Zustand war. Wilder Wein wucherte an den Säulen und der Dachkante. Die tönernen Fliesen waren gesprungen, aus den Ritzen spross Unkraut. Der runde Brunnen, in dem er einst sein Spiegelbild betrachtet hatte, war leer. Deine Vorliebe für Knaben hat dich offenbar ruiniert, alter Freund, dachte Kadar, als er die Treppe hinaufstieg. Das Haus war weitläufig und verzweigt, doch den Weg zu Lakapenos’ Schlafgemach hätte er auch mit verbundenen Augen gefunden. In den ersten Wochen nach seiner Ankunft war er ihn fast jeden Abend gegangen, begleitet von Michael,
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